dem Kopfe. Ich dachte an den zerstörten Ameis- haufen, an das Rind, das den Alpenstrauß fraß, an die Schirmtannen da hinten, an den Schirm- tanner, und plötzlich frug ich den Peter: "Die Schirmtanner-Rosel, die kennst du?"
Er wurde roth wie eine Alpenrose.
Von diesem Bergsattel aus hatte sich gegen Mitternacht hin eine ganz neue Gegend aufgethan; Thäler und Waldberge zogen sich in tiefer Klar- heit hin; links erhoben sich Felswände, die weit über die Wälder weg einen schründig durchbro- chenen Wall bildeten. In dieser Richtung hin dachte ich mir die Gegenden der Lautergräben, Karwässer, der Wolfsgrube und des Felsenthales.
Der Weg führte thalab, wir aber bogen links ein und stiegen durch Fichtenwald, Zirmgesträuche immer höher empor bis zu den Almenblößen, die sich hinanziehen gegen die hochragenden Fels- massen.
Die Schneehülle war hier zwar etwas dichter und spröder, hinderte aber nicht sonderlich im Wan- dern. Ein paar Hütten standen da, aus deren Dach- fugen Rauch hervordrang und in deren Ställen die Rinder schellten. Diese mußten heute Heu fressen, aber nach dem Schnee sollen gute, warme Tage kommen. In welchem Fenster dieser Hütten wol der Meisterknecht Paul gesteckt sein mochte?
dem Kopfe. Ich dachte an den zerſtörten Ameis- haufen, an das Rind, das den Alpenſtrauß fraß, an die Schirmtannen da hinten, an den Schirm- tanner, und plötzlich frug ich den Peter: „Die Schirmtanner-Roſel, die kennſt du?“
Er wurde roth wie eine Alpenroſe.
Von dieſem Bergſattel aus hatte ſich gegen Mitternacht hin eine ganz neue Gegend aufgethan; Thäler und Waldberge zogen ſich in tiefer Klar- heit hin; links erhoben ſich Felswände, die weit über die Wälder weg einen ſchründig durchbro- chenen Wall bildeten. In dieſer Richtung hin dachte ich mir die Gegenden der Lautergräben, Karwäſſer, der Wolfsgrube und des Felſenthales.
Der Weg führte thalab, wir aber bogen links ein und ſtiegen durch Fichtenwald, Zirmgeſträuche immer höher empor bis zu den Almenblößen, die ſich hinanziehen gegen die hochragenden Fels- maſſen.
Die Schneehülle war hier zwar etwas dichter und ſpröder, hinderte aber nicht ſonderlich im Wan- dern. Ein paar Hütten ſtanden da, aus deren Dach- fugen Rauch hervordrang und in deren Ställen die Rinder ſchellten. Dieſe mußten heute Heu freſſen, aber nach dem Schnee ſollen gute, warme Tage kommen. In welchem Fenſter dieſer Hütten wol der Meiſterknecht Paul geſteckt ſein mochte?
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dem Kopfe. Ich dachte an den zerſtörten Ameis-
haufen, an das Rind, das den Alpenſtrauß fraß,
an die Schirmtannen da hinten, an den Schirm-
tanner, und plötzlich frug ich den Peter: „Die
Schirmtanner-Roſel, die kennſt du?“
Er wurde roth wie eine Alpenroſe.
Von dieſem Bergſattel aus hatte ſich gegen
Mitternacht hin eine ganz neue Gegend aufgethan;
Thäler und Waldberge zogen ſich in tiefer Klar-
heit hin; links erhoben ſich Felswände, die weit
über die Wälder weg einen ſchründig durchbro-
chenen Wall bildeten. In dieſer Richtung hin
dachte ich mir die Gegenden der Lautergräben,
Karwäſſer, der Wolfsgrube und des Felſenthales.
Der Weg führte thalab, wir aber bogen links
ein und ſtiegen durch Fichtenwald, Zirmgeſträuche
immer höher empor bis zu den Almenblößen, die
ſich hinanziehen gegen die hochragenden Fels-
maſſen.
Die Schneehülle war hier zwar etwas dichter
und ſpröder, hinderte aber nicht ſonderlich im Wan-
dern. Ein paar Hütten ſtanden da, aus deren Dach-
fugen Rauch hervordrang und in deren Ställen die
Rinder ſchellten. Dieſe mußten heute Heu freſſen,
aber nach dem Schnee ſollen gute, warme Tage
kommen. In welchem Fenſter dieſer Hütten wol
der Meiſterknecht Paul geſteckt ſein mochte?
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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