Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir sollen uns selber behelfen, hat der Wald-
herr gesagt; so haben wir uns selber beholfen.

Der Einsiedler aus dem Felsenthale ist Pfarrer
von Winkelsteg.



Martini 1820.

Die Ruß-Kath ist gestorben.

Sie ist neunzig Jahre alt geworden. Ihr
letzter Wille ist, daß man ihrer Leiche feste, nagel-
beschlagene Schuhe anziehe; sie würde den Weg
aus der Ewigkeit oftmals zurückmachen müssen auf
die Erde, um zu sehen, wie es ihren Kindern und
Kindeskindern fortan gehe. Der Weg aber sei voll
scharfer Dornen.

Die Ruß-Kath ist die erste, die sie in
die Walderde unseres neuen Friedhofes hinabthun
werden.



Auf zwei Stangen haben sie zwei Männer
herübergetragen aus den Lautergräben. Der weiße,
noch harzduftende Tannenbrettersarg ist mit Erl-
strauchbändern auf der Bahre befestigt gewesen.
Der Ruß-Bartelmei und sein Schwestermann Paul
Holzer mit einem Knäblein sind hinter den Trägern
dreingegangen. Sie haben laut gebetet und stets
auf die Wurzeln der Bäume geblickt, über die sie

Wir ſollen uns ſelber behelfen, hat der Wald-
herr geſagt; ſo haben wir uns ſelber beholfen.

Der Einſiedler aus dem Felſenthale iſt Pfarrer
von Winkelſteg.



Martini 1820.

Die Ruß-Kath iſt geſtorben.

Sie iſt neunzig Jahre alt geworden. Ihr
letzter Wille iſt, daß man ihrer Leiche feſte, nagel-
beſchlagene Schuhe anziehe; ſie würde den Weg
aus der Ewigkeit oftmals zurückmachen müſſen auf
die Erde, um zu ſehen, wie es ihren Kindern und
Kindeskindern fortan gehe. Der Weg aber ſei voll
ſcharfer Dornen.

Die Ruß-Kath iſt die erſte, die ſie in
die Walderde unſeres neuen Friedhofes hinabthun
werden.



Auf zwei Stangen haben ſie zwei Männer
herübergetragen aus den Lautergräben. Der weiße,
noch harzduftende Tannenbretterſarg iſt mit Erl-
ſtrauchbändern auf der Bahre befeſtigt geweſen.
Der Ruß-Bartelmei und ſein Schweſtermann Paul
Holzer mit einem Knäblein ſind hinter den Trägern
dreingegangen. Sie haben laut gebetet und ſtets
auf die Wurzeln der Bäume geblickt, über die ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0321" n="311"/>
          <p>Wir &#x017F;ollen uns &#x017F;elber behelfen, hat der Wald-<lb/>
herr ge&#x017F;agt; &#x017F;o haben wir uns &#x017F;elber beholfen.</p><lb/>
          <p>Der Ein&#x017F;iedler aus dem Fel&#x017F;enthale i&#x017F;t Pfarrer<lb/>
von Winkel&#x017F;teg.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>
            <date> <hi rendition="#et">Martini 1820.</hi> </date>
          </p><lb/>
          <p>Die Ruß-Kath i&#x017F;t ge&#x017F;torben.</p><lb/>
          <p>Sie i&#x017F;t neunzig Jahre alt geworden. Ihr<lb/>
letzter Wille i&#x017F;t, daß man ihrer Leiche fe&#x017F;te, nagel-<lb/>
be&#x017F;chlagene Schuhe anziehe; &#x017F;ie würde den Weg<lb/>
aus der Ewigkeit oftmals zurückmachen mü&#x017F;&#x017F;en auf<lb/>
die Erde, um zu &#x017F;ehen, wie es ihren Kindern und<lb/>
Kindeskindern fortan gehe. Der Weg aber &#x017F;ei voll<lb/>
&#x017F;charfer Dornen.</p><lb/>
          <p>Die Ruß-Kath i&#x017F;t die er&#x017F;te, die &#x017F;ie in<lb/>
die Walderde un&#x017F;eres neuen Friedhofes hinabthun<lb/>
werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Auf zwei Stangen haben &#x017F;ie zwei Männer<lb/>
herübergetragen aus den Lautergräben. Der weiße,<lb/>
noch harzduftende Tannenbretter&#x017F;arg i&#x017F;t mit Erl-<lb/>
&#x017F;trauchbändern auf der Bahre befe&#x017F;tigt gewe&#x017F;en.<lb/>
Der Ruß-Bartelmei und &#x017F;ein Schwe&#x017F;termann Paul<lb/>
Holzer mit einem Knäblein &#x017F;ind hinter den Trägern<lb/>
dreingegangen. Sie haben laut gebetet und &#x017F;tets<lb/>
auf die Wurzeln der Bäume geblickt, über die &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0321] Wir ſollen uns ſelber behelfen, hat der Wald- herr geſagt; ſo haben wir uns ſelber beholfen. Der Einſiedler aus dem Felſenthale iſt Pfarrer von Winkelſteg. Martini 1820. Die Ruß-Kath iſt geſtorben. Sie iſt neunzig Jahre alt geworden. Ihr letzter Wille iſt, daß man ihrer Leiche feſte, nagel- beſchlagene Schuhe anziehe; ſie würde den Weg aus der Ewigkeit oftmals zurückmachen müſſen auf die Erde, um zu ſehen, wie es ihren Kindern und Kindeskindern fortan gehe. Der Weg aber ſei voll ſcharfer Dornen. Die Ruß-Kath iſt die erſte, die ſie in die Walderde unſeres neuen Friedhofes hinabthun werden. Auf zwei Stangen haben ſie zwei Männer herübergetragen aus den Lautergräben. Der weiße, noch harzduftende Tannenbretterſarg iſt mit Erl- ſtrauchbändern auf der Bahre befeſtigt geweſen. Der Ruß-Bartelmei und ſein Schweſtermann Paul Holzer mit einem Knäblein ſind hinter den Trägern dreingegangen. Sie haben laut gebetet und ſtets auf die Wurzeln der Bäume geblickt, über die ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/321
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/321>, abgerufen am 06.07.2024.