die unzähligen Bläschen und Tröpfchen, hinter sich einen schmalen Pfad ziehend, durch welchen das Dunkel des braunen Kirchendaches hereinblickte.
Ich öffnete das Fenster; frostige Luft ergoß sich in das Zimmer. Der Regen hatte aufgehört; an der Friedhofsmauer lag ein Wall zusammen- geschwemmter Eiskörner, mit niedergeschlagenen Baumrinden und gebrochenen Reisigwipfeln ge- mischt. An der Kirchenwand lagen Schindelsplitter des Daches; die Fenster der Kirche waren mit Brettern geschützt. Einige Eschen standen am Platze, da tropfte es nieder von den wenigen Blättern, die der Hagel verschont hatte. Noch ragte dort das verschwommene Bild eines Rauchfanges; was wei- ter hin war, das deckte der Nebel.
Ich hatte den Gedanken an die Alpenwande- rung heute gar nicht mehr hervorgeholt. Langsam zog ich mich an und betrachtete das Triebwerk der alten Schwarzwälderuhr, welches durch zwei an einander schlagende Holzblättchen den schmetternden Schlag der Wachtel so täuschend gab. Hernach wühlte ich, da es mir zum Frühstück noch zu zeit- lich war, noch eine Weile in den Papieren der Lade herum. Ich bemerkte, das außer den Zeich- nungen, Rechnungen und jenen Bogen, die zu Pflanzenmappen dienten, alle beschriebenen Blätter eine gleiche Größe hatten und mit rothen Seiten-
die unzähligen Bläschen und Tröpfchen, hinter ſich einen ſchmalen Pfad ziehend, durch welchen das Dunkel des braunen Kirchendaches hereinblickte.
Ich öffnete das Fenſter; froſtige Luft ergoß ſich in das Zimmer. Der Regen hatte aufgehört; an der Friedhofsmauer lag ein Wall zuſammen- geſchwemmter Eiskörner, mit niedergeſchlagenen Baumrinden und gebrochenen Reiſigwipfeln ge- miſcht. An der Kirchenwand lagen Schindelſplitter des Daches; die Fenſter der Kirche waren mit Brettern geſchützt. Einige Eſchen ſtanden am Platze, da tropfte es nieder von den wenigen Blättern, die der Hagel verſchont hatte. Noch ragte dort das verſchwommene Bild eines Rauchfanges; was wei- ter hin war, das deckte der Nebel.
Ich hatte den Gedanken an die Alpenwande- rung heute gar nicht mehr hervorgeholt. Langſam zog ich mich an und betrachtete das Triebwerk der alten Schwarzwälderuhr, welches durch zwei an einander ſchlagende Holzblättchen den ſchmetternden Schlag der Wachtel ſo täuſchend gab. Hernach wühlte ich, da es mir zum Frühſtück noch zu zeit- lich war, noch eine Weile in den Papieren der Lade herum. Ich bemerkte, das außer den Zeich- nungen, Rechnungen und jenen Bogen, die zu Pflanzenmappen dienten, alle beſchriebenen Blätter eine gleiche Größe hatten und mit rothen Seiten-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0032"n="22"/>
die unzähligen Bläschen und Tröpfchen, hinter ſich<lb/>
einen ſchmalen Pfad ziehend, durch welchen das<lb/>
Dunkel des braunen Kirchendaches hereinblickte.</p><lb/><p>Ich öffnete das Fenſter; froſtige Luft ergoß<lb/>ſich in das Zimmer. Der Regen hatte aufgehört;<lb/>
an der Friedhofsmauer lag ein Wall zuſammen-<lb/>
geſchwemmter Eiskörner, mit niedergeſchlagenen<lb/>
Baumrinden und gebrochenen Reiſigwipfeln ge-<lb/>
miſcht. An der Kirchenwand lagen Schindelſplitter<lb/>
des Daches; die Fenſter der Kirche waren mit<lb/>
Brettern geſchützt. Einige Eſchen ſtanden am Platze,<lb/>
da tropfte es nieder von den wenigen Blättern, die<lb/>
der Hagel verſchont hatte. Noch ragte dort das<lb/>
verſchwommene Bild eines Rauchfanges; was wei-<lb/>
ter hin war, das deckte der Nebel.</p><lb/><p>Ich hatte den Gedanken an die Alpenwande-<lb/>
rung heute gar nicht mehr hervorgeholt. Langſam<lb/>
zog ich mich an und betrachtete das Triebwerk der<lb/>
alten Schwarzwälderuhr, welches durch zwei an<lb/>
einander ſchlagende Holzblättchen den ſchmetternden<lb/>
Schlag der Wachtel ſo täuſchend gab. Hernach<lb/>
wühlte ich, da es mir zum Frühſtück noch zu zeit-<lb/>
lich war, noch eine Weile in den Papieren der<lb/>
Lade herum. Ich bemerkte, das außer den Zeich-<lb/>
nungen, Rechnungen und jenen Bogen, die zu<lb/>
Pflanzenmappen dienten, alle beſchriebenen Blätter<lb/>
eine gleiche Größe hatten und mit rothen Seiten-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[22/0032]
die unzähligen Bläschen und Tröpfchen, hinter ſich
einen ſchmalen Pfad ziehend, durch welchen das
Dunkel des braunen Kirchendaches hereinblickte.
Ich öffnete das Fenſter; froſtige Luft ergoß
ſich in das Zimmer. Der Regen hatte aufgehört;
an der Friedhofsmauer lag ein Wall zuſammen-
geſchwemmter Eiskörner, mit niedergeſchlagenen
Baumrinden und gebrochenen Reiſigwipfeln ge-
miſcht. An der Kirchenwand lagen Schindelſplitter
des Daches; die Fenſter der Kirche waren mit
Brettern geſchützt. Einige Eſchen ſtanden am Platze,
da tropfte es nieder von den wenigen Blättern, die
der Hagel verſchont hatte. Noch ragte dort das
verſchwommene Bild eines Rauchfanges; was wei-
ter hin war, das deckte der Nebel.
Ich hatte den Gedanken an die Alpenwande-
rung heute gar nicht mehr hervorgeholt. Langſam
zog ich mich an und betrachtete das Triebwerk der
alten Schwarzwälderuhr, welches durch zwei an
einander ſchlagende Holzblättchen den ſchmetternden
Schlag der Wachtel ſo täuſchend gab. Hernach
wühlte ich, da es mir zum Frühſtück noch zu zeit-
lich war, noch eine Weile in den Papieren der
Lade herum. Ich bemerkte, das außer den Zeich-
nungen, Rechnungen und jenen Bogen, die zu
Pflanzenmappen dienten, alle beſchriebenen Blätter
eine gleiche Größe hatten und mit rothen Seiten-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/32>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.