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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Mann aus mir mache. Und ich frage ihn, ob er
es auch so halten wolle. Der Knabe hat mich
flehend angeblickt und ja gesagt.

So habe ich ihn mit mir genommen in das
Felsenthal und in mein Haus. Ueber ein Jahr habe
ich ihn bei mir behalten, auf daß ich ihn an strenge
Ordnung hielte und seine wilden Anfälle zu unter-
drücken suchte. Täglich haben wir vor dem Kreuze
gemeinsam unsere Andacht verrichtet. Und ich habe
dem Knaben erzählt die Geschichte von dem Ge-
kreuzigten, habe ihm mit aller Wärme meines Her-
zens dargestellt die Liebe, Geduld und Sanftmut
des Heilandes, und ich habe gemerkt, wie das Ge-
müth des Knaben davon ergriffen worden ist. Es
ist ja ein herzensguter Junge.

Wir haben zusammen gearbeitet, haben Wald-
früchte, Kräuter und Schwämme gesammelt zu un-
serer Nahrung. Hirsche und Rehe haben wir nicht
geschossen, wie der Lazarus einmal vorgeschlagen.
Stühle und Fußmatten flechten wir für unsere
Felsenwohnung und für den Branntweiner, der sie
an den Mann zu bringen weiß. Viel Brennholz
sammeln wir und einen kleinen Schutzwall führen
wir auf vor unserem Eingang. Gehe ich in die
Lautergräben oder in die Winkelwälder hinaus, so
bleibt der Knabe willig im Felsenhause und arbeitet
allein. Gerne hat er mir von seiner kleinen Schwester

Mann aus mir mache. Und ich frage ihn, ob er
es auch ſo halten wolle. Der Knabe hat mich
flehend angeblickt und ja geſagt.

So habe ich ihn mit mir genommen in das
Felſenthal und in mein Haus. Ueber ein Jahr habe
ich ihn bei mir behalten, auf daß ich ihn an ſtrenge
Ordnung hielte und ſeine wilden Anfälle zu unter-
drücken ſuchte. Täglich haben wir vor dem Kreuze
gemeinſam unſere Andacht verrichtet. Und ich habe
dem Knaben erzählt die Geſchichte von dem Ge-
kreuzigten, habe ihm mit aller Wärme meines Her-
zens dargeſtellt die Liebe, Geduld und Sanftmut
des Heilandes, und ich habe gemerkt, wie das Ge-
müth des Knaben davon ergriffen worden iſt. Es
iſt ja ein herzensguter Junge.

Wir haben zuſammen gearbeitet, haben Wald-
früchte, Kräuter und Schwämme geſammelt zu un-
ſerer Nahrung. Hirſche und Rehe haben wir nicht
geſchoſſen, wie der Lazarus einmal vorgeſchlagen.
Stühle und Fußmatten flechten wir für unſere
Felſenwohnung und für den Branntweiner, der ſie
an den Mann zu bringen weiß. Viel Brennholz
ſammeln wir und einen kleinen Schutzwall führen
wir auf vor unſerem Eingang. Gehe ich in die
Lautergräben oder in die Winkelwälder hinaus, ſo
bleibt der Knabe willig im Felſenhauſe und arbeitet
allein. Gerne hat er mir von ſeiner kleinen Schweſter

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[296/0306] Mann aus mir mache. Und ich frage ihn, ob er es auch ſo halten wolle. Der Knabe hat mich flehend angeblickt und ja geſagt. So habe ich ihn mit mir genommen in das Felſenthal und in mein Haus. Ueber ein Jahr habe ich ihn bei mir behalten, auf daß ich ihn an ſtrenge Ordnung hielte und ſeine wilden Anfälle zu unter- drücken ſuchte. Täglich haben wir vor dem Kreuze gemeinſam unſere Andacht verrichtet. Und ich habe dem Knaben erzählt die Geſchichte von dem Ge- kreuzigten, habe ihm mit aller Wärme meines Her- zens dargeſtellt die Liebe, Geduld und Sanftmut des Heilandes, und ich habe gemerkt, wie das Ge- müth des Knaben davon ergriffen worden iſt. Es iſt ja ein herzensguter Junge. Wir haben zuſammen gearbeitet, haben Wald- früchte, Kräuter und Schwämme geſammelt zu un- ſerer Nahrung. Hirſche und Rehe haben wir nicht geſchoſſen, wie der Lazarus einmal vorgeſchlagen. Stühle und Fußmatten flechten wir für unſere Felſenwohnung und für den Branntweiner, der ſie an den Mann zu bringen weiß. Viel Brennholz ſammeln wir und einen kleinen Schutzwall führen wir auf vor unſerem Eingang. Gehe ich in die Lautergräben oder in die Winkelwälder hinaus, ſo bleibt der Knabe willig im Felſenhauſe und arbeitet allein. Gerne hat er mir von ſeiner kleinen Schweſter

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/306>, abgerufen am 24.11.2024.