Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

in welchem Unruhe und Müdigkeit gelegen, hat sich
schwermüthig empor zur Höhe gewendet. Da oben
haben die finsteren Wolkenlasten nicht mehr hin-
gejagt, sondern angefangen, sich an den Felswänden
niederzusenken. Tiefe Stille und Dämmerung ist
gelegen über dem Waldkessel der Wolfsgrube.

Und endlich fährt der Einspanig fort: "Vier
ewige Jahre, vier ewige Sommer habe ich mit
einigen Gefährten in dem heißen Indien verlebt.
Die Beschwerden sind groß gewesen, aber größer
noch die innere Noth, das erwachte Bewußtsein
eines verfehlten Lebens. Nur in der strengen Er-
füllung des Priesterberufes habe ich einigen Trost
gefunden, denn rein und selbstlos ist nunmehr mein
Amt gewesen. Nicht mehr für besondere Vortheile
eines Bundes haben wir gearbeitet, sondern für
das große, gemeinsame und göttliche Erbe der
Menschen, für die Gesittung. Wir haben den Hin-
dus europäische Sitten und Denkweise und Gottes-
verehrung gepredigt. Ihren Steppen haben wir den
Pflug gegeben, auf ihren Berghöhen haben wir
das Kreuz gepflanzt. Wir predigen ihnen die Gottes-
lehre der Selbstaufopferung und Liebe. Anfangs
haben sie Mißtrauen und Verfolgung gegen uns,
endlich aber öffnen sie ihr Herz. Als Boten des
Himmels haben sie uns verehrt, und eine hohe
Meinung haben sie von dem Volke im Abendlande,

in welchem Unruhe und Müdigkeit gelegen, hat ſich
ſchwermüthig empor zur Höhe gewendet. Da oben
haben die finſteren Wolkenlaſten nicht mehr hin-
gejagt, ſondern angefangen, ſich an den Felswänden
niederzuſenken. Tiefe Stille und Dämmerung iſt
gelegen über dem Waldkeſſel der Wolfsgrube.

Und endlich fährt der Einſpanig fort: „Vier
ewige Jahre, vier ewige Sommer habe ich mit
einigen Gefährten in dem heißen Indien verlebt.
Die Beſchwerden ſind groß geweſen, aber größer
noch die innere Noth, das erwachte Bewußtſein
eines verfehlten Lebens. Nur in der ſtrengen Er-
füllung des Prieſterberufes habe ich einigen Troſt
gefunden, denn rein und ſelbſtlos iſt nunmehr mein
Amt geweſen. Nicht mehr für beſondere Vortheile
eines Bundes haben wir gearbeitet, ſondern für
das große, gemeinſame und göttliche Erbe der
Menſchen, für die Geſittung. Wir haben den Hin-
dus europäiſche Sitten und Denkweiſe und Gottes-
verehrung gepredigt. Ihren Steppen haben wir den
Pflug gegeben, auf ihren Berghöhen haben wir
das Kreuz gepflanzt. Wir predigen ihnen die Gottes-
lehre der Selbſtaufopferung und Liebe. Anfangs
haben ſie Mißtrauen und Verfolgung gegen uns,
endlich aber öffnen ſie ihr Herz. Als Boten des
Himmels haben ſie uns verehrt, und eine hohe
Meinung haben ſie von dem Volke im Abendlande,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0286" n="276"/>
in welchem Unruhe und Müdigkeit gelegen, hat &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;chwermüthig empor zur Höhe gewendet. Da oben<lb/>
haben die fin&#x017F;teren Wolkenla&#x017F;ten nicht mehr hin-<lb/>
gejagt, &#x017F;ondern angefangen, &#x017F;ich an den Felswänden<lb/>
niederzu&#x017F;enken. Tiefe Stille und Dämmerung i&#x017F;t<lb/>
gelegen über dem Waldke&#x017F;&#x017F;el der Wolfsgrube.</p><lb/>
          <p>Und endlich fährt der Ein&#x017F;panig fort: &#x201E;Vier<lb/>
ewige Jahre, vier ewige Sommer habe ich mit<lb/>
einigen Gefährten in dem heißen Indien verlebt.<lb/>
Die Be&#x017F;chwerden &#x017F;ind groß gewe&#x017F;en, aber größer<lb/>
noch die innere Noth, das erwachte Bewußt&#x017F;ein<lb/>
eines verfehlten Lebens. Nur in der &#x017F;trengen Er-<lb/>
füllung des Prie&#x017F;terberufes habe ich einigen Tro&#x017F;t<lb/>
gefunden, denn rein und &#x017F;elb&#x017F;tlos i&#x017F;t nunmehr mein<lb/>
Amt gewe&#x017F;en. Nicht mehr für be&#x017F;ondere Vortheile<lb/>
eines Bundes haben wir gearbeitet, &#x017F;ondern für<lb/>
das große, gemein&#x017F;ame und göttliche Erbe der<lb/>
Men&#x017F;chen, für die Ge&#x017F;ittung. Wir haben den Hin-<lb/>
dus europäi&#x017F;che Sitten und Denkwei&#x017F;e und Gottes-<lb/>
verehrung gepredigt. Ihren Steppen haben wir den<lb/>
Pflug gegeben, auf ihren Berghöhen haben wir<lb/>
das Kreuz gepflanzt. Wir predigen ihnen die Gottes-<lb/>
lehre der Selb&#x017F;taufopferung und Liebe. Anfangs<lb/>
haben &#x017F;ie Mißtrauen und Verfolgung gegen uns,<lb/>
endlich aber öffnen &#x017F;ie ihr Herz. Als Boten des<lb/>
Himmels haben &#x017F;ie uns verehrt, und eine hohe<lb/>
Meinung haben &#x017F;ie von dem Volke im Abendlande,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0286] in welchem Unruhe und Müdigkeit gelegen, hat ſich ſchwermüthig empor zur Höhe gewendet. Da oben haben die finſteren Wolkenlaſten nicht mehr hin- gejagt, ſondern angefangen, ſich an den Felswänden niederzuſenken. Tiefe Stille und Dämmerung iſt gelegen über dem Waldkeſſel der Wolfsgrube. Und endlich fährt der Einſpanig fort: „Vier ewige Jahre, vier ewige Sommer habe ich mit einigen Gefährten in dem heißen Indien verlebt. Die Beſchwerden ſind groß geweſen, aber größer noch die innere Noth, das erwachte Bewußtſein eines verfehlten Lebens. Nur in der ſtrengen Er- füllung des Prieſterberufes habe ich einigen Troſt gefunden, denn rein und ſelbſtlos iſt nunmehr mein Amt geweſen. Nicht mehr für beſondere Vortheile eines Bundes haben wir gearbeitet, ſondern für das große, gemeinſame und göttliche Erbe der Menſchen, für die Geſittung. Wir haben den Hin- dus europäiſche Sitten und Denkweiſe und Gottes- verehrung gepredigt. Ihren Steppen haben wir den Pflug gegeben, auf ihren Berghöhen haben wir das Kreuz gepflanzt. Wir predigen ihnen die Gottes- lehre der Selbſtaufopferung und Liebe. Anfangs haben ſie Mißtrauen und Verfolgung gegen uns, endlich aber öffnen ſie ihr Herz. Als Boten des Himmels haben ſie uns verehrt, und eine hohe Meinung haben ſie von dem Volke im Abendlande,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/286
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/286>, abgerufen am 24.11.2024.