einführen. Mein lieber Freund, alle Tage bete ich zu Gott, daß er dich so glücklich lassen werden möge, als ich es bin, daß du wie ich ein Bruder Jesu Christi werdest zum Heile deiner Seele und zum Wohle des heiligen Glaubens.
Von diesem Tage an, als mein geistlicher Hofmeister so gesprochen hat, empfinde ich die Last und das Unstäte in mir doppelt schwer; aber, als ich mich ernstlich prüfe, sehe ich, daß es mir un- möglich wäre, der Welt zu entsagen.
-- Du hast mich nicht verstanden, sagt hier- auf mein Erzieher einmal, und es wundert mich, daß du nach den vielen Jahren christlicher Erziehung deinen Freund so mißverstehen kannst. Wer sagt dir, daß du den Freuden der Welt entsagen sollest? Die Freuden der Welt sind ein Geschenk Gottes; aber sie nicht genießen, seiner selbst willen, sondern zu Gottes Ehre, das ist es, was uns wahre Be- friedigung gewährt.
So geht mir nun ein neues Leben auf; mein sittliches Gefühl, das mich sonst zurückgehalten, eifert mich jetzt an, daß ich all den verlangenden Sinnen meines Wesens Sättigung verschaffe. In Freude und Genuß Gott dem Herrn dienen -- so gibt es keinen Zwiespalt mehr in diesem Leben.
Mein Freund lächelt und läßt gewähren. Die Welt ist schön, wenn man jung, und auch gut,
einführen. Mein lieber Freund, alle Tage bete ich zu Gott, daß er dich ſo glücklich laſſen werden möge, als ich es bin, daß du wie ich ein Bruder Jeſu Chriſti werdeſt zum Heile deiner Seele und zum Wohle des heiligen Glaubens.
Von dieſem Tage an, als mein geiſtlicher Hofmeiſter ſo geſprochen hat, empfinde ich die Laſt und das Unſtäte in mir doppelt ſchwer; aber, als ich mich ernſtlich prüfe, ſehe ich, daß es mir un- möglich wäre, der Welt zu entſagen.
— Du haſt mich nicht verſtanden, ſagt hier- auf mein Erzieher einmal, und es wundert mich, daß du nach den vielen Jahren chriſtlicher Erziehung deinen Freund ſo mißverſtehen kannſt. Wer ſagt dir, daß du den Freuden der Welt entſagen ſolleſt? Die Freuden der Welt ſind ein Geſchenk Gottes; aber ſie nicht genießen, ſeiner ſelbſt willen, ſondern zu Gottes Ehre, das iſt es, was uns wahre Be- friedigung gewährt.
So geht mir nun ein neues Leben auf; mein ſittliches Gefühl, das mich ſonſt zurückgehalten, eifert mich jetzt an, daß ich all den verlangenden Sinnen meines Weſens Sättigung verſchaffe. In Freude und Genuß Gott dem Herrn dienen — ſo gibt es keinen Zwieſpalt mehr in dieſem Leben.
Mein Freund lächelt und läßt gewähren. Die Welt iſt ſchön, wenn man jung, und auch gut,
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einführen. Mein lieber Freund, alle Tage bete ich
zu Gott, daß er dich ſo glücklich laſſen werden möge,
als ich es bin, daß du wie ich ein Bruder Jeſu
Chriſti werdeſt zum Heile deiner Seele und zum
Wohle des heiligen Glaubens.
Von dieſem Tage an, als mein geiſtlicher
Hofmeiſter ſo geſprochen hat, empfinde ich die Laſt
und das Unſtäte in mir doppelt ſchwer; aber, als
ich mich ernſtlich prüfe, ſehe ich, daß es mir un-
möglich wäre, der Welt zu entſagen.
— Du haſt mich nicht verſtanden, ſagt hier-
auf mein Erzieher einmal, und es wundert mich,
daß du nach den vielen Jahren chriſtlicher Erziehung
deinen Freund ſo mißverſtehen kannſt. Wer ſagt
dir, daß du den Freuden der Welt entſagen ſolleſt?
Die Freuden der Welt ſind ein Geſchenk Gottes;
aber ſie nicht genießen, ſeiner ſelbſt willen, ſondern
zu Gottes Ehre, das iſt es, was uns wahre Be-
friedigung gewährt.
So geht mir nun ein neues Leben auf; mein
ſittliches Gefühl, das mich ſonſt zurückgehalten, eifert
mich jetzt an, daß ich all den verlangenden Sinnen
meines Weſens Sättigung verſchaffe. In Freude
und Genuß Gott dem Herrn dienen — ſo gibt es
keinen Zwieſpalt mehr in dieſem Leben.
Mein Freund lächelt und läßt gewähren. Die
Welt iſt ſchön, wenn man jung, und auch gut,
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/279>, abgerufen am 24.11.2024.
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