von den Stufen niedersteigt und mit niedergeschla- genen Augen dem Ausgange zuwandelt, da ist es doch meine Pflicht, daß ich ihn anhalte und zur Rede stelle.
"Herr," sage ich, "ihr tretet in dieses Gottes- haus, wie es ja Jeder darf, der aufrichtigen Her- zens ist; aber ihr steiget zu dem Allerheiligsten empor und übet Dinge, die nicht Jedem zustehen. Ich bin der Hüter dieses Hauses und habe euch zu fragen, was euer Treiben bedeutet?"
Er ist dagestanden und hat mich mit großer Gelassenheit angeblickt.
"Guter Freund," sagt er hierauf mit einer Stimme, die wie eingerostet knarrt und schrillt: "Die Frage ist kurz und leicht; die Antwort ist lang und schwer. Weil ihr aber das Recht habt, sie zu verlangen, so habe ich die Pflicht, sie zu geben. Bestimmet den Tag, an welchen ihr hinauf- gehen wollet zu den drei Schirmtannen in der Wolfsgrube."
"Wozu?" sage ich.
"Die Antwort liegt nicht auf dem Wege. Unter den Schirmtannen mögt ihr sie erfahren."
"Wol," sage ich, "wenn es so ist, so will ich mich am nächsten Sonnabend um die dritte Nach- mittagsstunde bei den drei Schirmtannen in der Wolfsgrube einfinden."
von den Stufen niederſteigt und mit niedergeſchla- genen Augen dem Ausgange zuwandelt, da iſt es doch meine Pflicht, daß ich ihn anhalte und zur Rede ſtelle.
„Herr,“ ſage ich, „ihr tretet in dieſes Gottes- haus, wie es ja Jeder darf, der aufrichtigen Her- zens iſt; aber ihr ſteiget zu dem Allerheiligſten empor und übet Dinge, die nicht Jedem zuſtehen. Ich bin der Hüter dieſes Hauſes und habe euch zu fragen, was euer Treiben bedeutet?“
Er iſt dageſtanden und hat mich mit großer Gelaſſenheit angeblickt.
„Guter Freund,“ ſagt er hierauf mit einer Stimme, die wie eingeroſtet knarrt und ſchrillt: „Die Frage iſt kurz und leicht; die Antwort iſt lang und ſchwer. Weil ihr aber das Recht habt, ſie zu verlangen, ſo habe ich die Pflicht, ſie zu geben. Beſtimmet den Tag, an welchen ihr hinauf- gehen wollet zu den drei Schirmtannen in der Wolfsgrube.“
„Wozu?“ ſage ich.
„Die Antwort liegt nicht auf dem Wege. Unter den Schirmtannen mögt ihr ſie erfahren.“
„Wol,“ ſage ich, „wenn es ſo iſt, ſo will ich mich am nächſten Sonnabend um die dritte Nach- mittagsſtunde bei den drei Schirmtannen in der Wolfsgrube einfinden.“
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von den Stufen niederſteigt und mit niedergeſchla-
genen Augen dem Ausgange zuwandelt, da iſt es
doch meine Pflicht, daß ich ihn anhalte und zur
Rede ſtelle.
„Herr,“ ſage ich, „ihr tretet in dieſes Gottes-
haus, wie es ja Jeder darf, der aufrichtigen Her-
zens iſt; aber ihr ſteiget zu dem Allerheiligſten
empor und übet Dinge, die nicht Jedem zuſtehen.
Ich bin der Hüter dieſes Hauſes und habe euch zu
fragen, was euer Treiben bedeutet?“
Er iſt dageſtanden und hat mich mit großer
Gelaſſenheit angeblickt.
„Guter Freund,“ ſagt er hierauf mit einer
Stimme, die wie eingeroſtet knarrt und ſchrillt:
„Die Frage iſt kurz und leicht; die Antwort iſt
lang und ſchwer. Weil ihr aber das Recht habt,
ſie zu verlangen, ſo habe ich die Pflicht, ſie zu
geben. Beſtimmet den Tag, an welchen ihr hinauf-
gehen wollet zu den drei Schirmtannen in der
Wolfsgrube.“
„Wozu?“ ſage ich.
„Die Antwort liegt nicht auf dem Wege.
Unter den Schirmtannen mögt ihr ſie erfahren.“
„Wol,“ ſage ich, „wenn es ſo iſt, ſo will ich
mich am nächſten Sonnabend um die dritte Nach-
mittagsſtunde bei den drei Schirmtannen in der
Wolfsgrube einfinden.“
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/270>, abgerufen am 25.11.2024.
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