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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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nicht holpern und stolpern? -- Ich will es doch
versuchen, mir seine Geschichte einzuprägen.

"Ein Küsterbüblein bin ich gewesen," hebt er
an, "draußen in Holdenschlag steht's noch zu lesen.
Wenn ich den Strick hab' geschwungen und die
Glocken haben geklungen, hab' ich den Takt gesun-
gen und den Schwenkel nachgeahmt mit meiner
Zungen. Beim Ministriren hab' ich wol andächtig
die Orgel genossen, hab' dem Pfarrer Wein in den
Kelch gegossen; aber unter dem Wasserkrüglein hat
er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, ist er schon
davongeruckt. Wasser und Wein als Fleisch und
Blut, das ist unser höchstes Gut, aber wer in den
Kelch zu viel Wasser thut, der verdirbt das rosen-
farben' Christiblut. -- Als ich von der Kirchen
bin fortgekommen, hat mich ein Schmied in die
Lehr' genommen. Der Blas'balg hat mit Gleich-
maaß angefangen und der Hammer ist taktfest mit-
gegangen, und der Ambos hat geklungen, sind die
Funken gesprungen, und Alles hat sich gefügt und
gereimt, als wär' es gehobelt gewesen und geleimt.
Gerade meinem Meister hat's nicht angepaßt, da
hat er mich nach dem Takt beim Schopf gefaßt.
Und schaut, bei diesen taktfesten Dingen, Klingen,
Singen und Springen, hab' ich zum stillen Feier-
abendfrieden baß angefangen Reime zu schmieden.
Aber, wie auch geschmiedete Reime gerathen, es

nicht holpern und ſtolpern? — Ich will es doch
verſuchen, mir ſeine Geſchichte einzuprägen.

„Ein Küſterbüblein bin ich geweſen,“ hebt er
an, „draußen in Holdenſchlag ſteht’s noch zu leſen.
Wenn ich den Strick hab’ geſchwungen und die
Glocken haben geklungen, hab’ ich den Takt geſun-
gen und den Schwenkel nachgeahmt mit meiner
Zungen. Beim Miniſtriren hab’ ich wol andächtig
die Orgel genoſſen, hab’ dem Pfarrer Wein in den
Kelch gegoſſen; aber unter dem Waſſerkrüglein hat
er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, iſt er ſchon
davongeruckt. Waſſer und Wein als Fleiſch und
Blut, das iſt unſer höchſtes Gut, aber wer in den
Kelch zu viel Waſſer thut, der verdirbt das roſen-
farben’ Chriſtiblut. — Als ich von der Kirchen
bin fortgekommen, hat mich ein Schmied in die
Lehr’ genommen. Der Blaſ’balg hat mit Gleich-
maaß angefangen und der Hammer iſt taktfeſt mit-
gegangen, und der Ambos hat geklungen, ſind die
Funken geſprungen, und Alles hat ſich gefügt und
gereimt, als wär’ es gehobelt geweſen und geleimt.
Gerade meinem Meiſter hat’s nicht angepaßt, da
hat er mich nach dem Takt beim Schopf gefaßt.
Und ſchaut, bei dieſen taktfeſten Dingen, Klingen,
Singen und Springen, hab’ ich zum ſtillen Feier-
abendfrieden baß angefangen Reime zu ſchmieden.
Aber, wie auch geſchmiedete Reime gerathen, es

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[236/0246] nicht holpern und ſtolpern? — Ich will es doch verſuchen, mir ſeine Geſchichte einzuprägen. „Ein Küſterbüblein bin ich geweſen,“ hebt er an, „draußen in Holdenſchlag ſteht’s noch zu leſen. Wenn ich den Strick hab’ geſchwungen und die Glocken haben geklungen, hab’ ich den Takt geſun- gen und den Schwenkel nachgeahmt mit meiner Zungen. Beim Miniſtriren hab’ ich wol andächtig die Orgel genoſſen, hab’ dem Pfarrer Wein in den Kelch gegoſſen; aber unter dem Waſſerkrüglein hat er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, iſt er ſchon davongeruckt. Waſſer und Wein als Fleiſch und Blut, das iſt unſer höchſtes Gut, aber wer in den Kelch zu viel Waſſer thut, der verdirbt das roſen- farben’ Chriſtiblut. — Als ich von der Kirchen bin fortgekommen, hat mich ein Schmied in die Lehr’ genommen. Der Blaſ’balg hat mit Gleich- maaß angefangen und der Hammer iſt taktfeſt mit- gegangen, und der Ambos hat geklungen, ſind die Funken geſprungen, und Alles hat ſich gefügt und gereimt, als wär’ es gehobelt geweſen und geleimt. Gerade meinem Meiſter hat’s nicht angepaßt, da hat er mich nach dem Takt beim Schopf gefaßt. Und ſchaut, bei dieſen taktfeſten Dingen, Klingen, Singen und Springen, hab’ ich zum ſtillen Feier- abendfrieden baß angefangen Reime zu ſchmieden. Aber, wie auch geſchmiedete Reime gerathen, es

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/246>, abgerufen am 27.11.2024.