Ganz was anders ist geschehen, meine Leut! Der Schulmeister -- verzaubert hat er sich, und so steigt er unsichtbar Tag und Nacht in Winkelsteg herum -- Tag und Nacht, zu jeder Stund'. Das ist, weil er will wissen, was die Leut' in der Heimlichkeit thun und über ihn reden, und weil -- --. Ich sag' nichts Schlechtes über den Schulmeister, ich nicht. Wüßt auch nicht was, bei meiner Treu, wüßt auch nicht, was!"
"Ei, thät der Teufel nicht mehr wissen, wie der schwarz' Kohlenbrenner!" hüstelte die Stimme hinter dem Ofen, "noch heut' führt der alt' Grau- schädel die Winkelsteger bei der Nase herum!"
Ein gereizter Löwe könnte nicht wüthender auf- springen, als es jetzt der derbe finstere Wirth that. Ordentlich stöhnend vor Begier stürzte er hin in den Ofenwinkel, und dort war ein angstvolles Aufkreischen.
Da eilte die Wirthin herbei: "Geh, Lazarus, wirst dich scheren mit diesem dummen Schorschel da! ist nicht der Müh' wert, daß du desweg einen Finger krumm thust. Geh, sei fein gescheidt, Lazarus; schau, jetzt hab' ich dir dort dein Tröpfel hingestellt."
Lazarus ließ nach; der Schorschl huschte wie ein Pudel heulend zur Thür hinaus.
Lazarus hatte Haarlocken in der Faust, fahle, zerzauste Haarlocken. Knurrend schritt er gegen den Kasten, auf welchen ihm sein Weib ein Glas Apfel-
Ganz was anders iſt geſchehen, meine Leut! Der Schulmeiſter — verzaubert hat er ſich, und ſo ſteigt er unſichtbar Tag und Nacht in Winkelſteg herum — Tag und Nacht, zu jeder Stund’. Das iſt, weil er will wiſſen, was die Leut’ in der Heimlichkeit thun und über ihn reden, und weil — —. Ich ſag’ nichts Schlechtes über den Schulmeiſter, ich nicht. Wüßt auch nicht was, bei meiner Treu, wüßt auch nicht, was!“
„Ei, thät der Teufel nicht mehr wiſſen, wie der ſchwarz’ Kohlenbrenner!“ hüſtelte die Stimme hinter dem Ofen, „noch heut’ führt der alt’ Grau- ſchädel die Winkelſteger bei der Naſe herum!“
Ein gereizter Löwe könnte nicht wüthender auf- ſpringen, als es jetzt der derbe finſtere Wirth that. Ordentlich ſtöhnend vor Begier ſtürzte er hin in den Ofenwinkel, und dort war ein angſtvolles Aufkreiſchen.
Da eilte die Wirthin herbei: „Geh, Lazarus, wirſt dich ſcheren mit dieſem dummen Schorſchel da! iſt nicht der Müh’ wert, daß du desweg einen Finger krumm thuſt. Geh, ſei fein geſcheidt, Lazarus; ſchau, jetzt hab’ ich dir dort dein Tröpfel hingeſtellt.“
Lazarus ließ nach; der Schorſchl huſchte wie ein Pudel heulend zur Thür hinaus.
Lazarus hatte Haarlocken in der Fauſt, fahle, zerzauſte Haarlocken. Knurrend ſchritt er gegen den Kaſten, auf welchen ihm ſein Weib ein Glas Apfel-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="14"/>
Ganz was anders iſt geſchehen, meine Leut! Der<lb/>
Schulmeiſter — verzaubert hat er ſich, und ſo ſteigt<lb/>
er unſichtbar Tag und Nacht in Winkelſteg herum —<lb/>
Tag und Nacht, zu jeder Stund’. Das iſt, weil er<lb/>
will wiſſen, was die Leut’ in der Heimlichkeit thun<lb/>
und über ihn reden, und weil ——. Ich ſag’<lb/>
nichts Schlechtes über den Schulmeiſter, ich nicht.<lb/>
Wüßt auch nicht was, bei meiner Treu, wüßt auch<lb/>
nicht, was!“</p><lb/><p>„Ei, thät der Teufel nicht <hirendition="#g">mehr</hi> wiſſen, wie<lb/>
der ſchwarz’ Kohlenbrenner!“ hüſtelte die Stimme<lb/>
hinter dem Ofen, „noch heut’ führt der alt’ Grau-<lb/>ſchädel die Winkelſteger bei der Naſe herum!“</p><lb/><p>Ein gereizter Löwe könnte nicht wüthender auf-<lb/>ſpringen, als es jetzt der derbe finſtere Wirth that.<lb/>
Ordentlich ſtöhnend vor Begier ſtürzte er hin in den<lb/>
Ofenwinkel, und dort war ein angſtvolles Aufkreiſchen.</p><lb/><p>Da eilte die Wirthin herbei: „Geh, Lazarus,<lb/>
wirſt dich ſcheren mit dieſem dummen Schorſchel da!<lb/>
iſt nicht der Müh’ wert, daß du desweg einen Finger<lb/>
krumm thuſt. Geh, ſei fein geſcheidt, Lazarus; ſchau,<lb/>
jetzt hab’ ich dir dort dein Tröpfel hingeſtellt.“</p><lb/><p>Lazarus ließ nach; der Schorſchl huſchte wie<lb/>
ein Pudel heulend zur Thür hinaus.</p><lb/><p>Lazarus hatte Haarlocken in der Fauſt, fahle,<lb/>
zerzauſte Haarlocken. Knurrend ſchritt er gegen den<lb/>
Kaſten, auf welchen ihm ſein Weib ein Glas Apfel-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0024]
Ganz was anders iſt geſchehen, meine Leut! Der
Schulmeiſter — verzaubert hat er ſich, und ſo ſteigt
er unſichtbar Tag und Nacht in Winkelſteg herum —
Tag und Nacht, zu jeder Stund’. Das iſt, weil er
will wiſſen, was die Leut’ in der Heimlichkeit thun
und über ihn reden, und weil — —. Ich ſag’
nichts Schlechtes über den Schulmeiſter, ich nicht.
Wüßt auch nicht was, bei meiner Treu, wüßt auch
nicht, was!“
„Ei, thät der Teufel nicht mehr wiſſen, wie
der ſchwarz’ Kohlenbrenner!“ hüſtelte die Stimme
hinter dem Ofen, „noch heut’ führt der alt’ Grau-
ſchädel die Winkelſteger bei der Naſe herum!“
Ein gereizter Löwe könnte nicht wüthender auf-
ſpringen, als es jetzt der derbe finſtere Wirth that.
Ordentlich ſtöhnend vor Begier ſtürzte er hin in den
Ofenwinkel, und dort war ein angſtvolles Aufkreiſchen.
Da eilte die Wirthin herbei: „Geh, Lazarus,
wirſt dich ſcheren mit dieſem dummen Schorſchel da!
iſt nicht der Müh’ wert, daß du desweg einen Finger
krumm thuſt. Geh, ſei fein geſcheidt, Lazarus; ſchau,
jetzt hab’ ich dir dort dein Tröpfel hingeſtellt.“
Lazarus ließ nach; der Schorſchl huſchte wie
ein Pudel heulend zur Thür hinaus.
Lazarus hatte Haarlocken in der Fauſt, fahle,
zerzauſte Haarlocken. Knurrend ſchritt er gegen den
Kaſten, auf welchen ihm ſein Weib ein Glas Apfel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/24>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.