und fällt nieder auf den schattigen Erdengrund. Und der Erdboden saugt es ein und keine Spur ist mehr von dem funkelnden Sternchen.
So lebt des Waldes Kind und so vergeht es.
Draußen ist es anders. Draußen erstarren die Tropfen in dem frostigen Hauch der Sitte, und die Eiszapfen klingeln aneinander und gar im Nieder- fallen klingeln sie und ruhen, eine Weile noch der Welt Herrlichkeit in sich spiegelnd, auf dem Erd- boden bis sie zerfließen und verthauen, wie der Gedanke an einen lieben Todten.
Draußen treiben sie noch ein helles Geflunker mit ihren Sterbenden und mit ihren Todten. Im Walde hat der todte Schläfer kein Nachtlicht, wie der lebendige keines gehabt. "Das ewige Licht leuchte ihnen!" ist das einzige Begehren. Die matte Spätherbstsonne lächelt mild und verspricht ihren ewigen Glanz, und der nächste Frühling sorgt für Blumen und Kränze.
Nicht der todten Leiber wird im Walde gedacht, sondern ihrer lebenden Seelen Wehe, wenn diese sündig verstorben im Fegfeuer schmachten!
Als der hungernde Hans seinem hungernden Nachbar auf der Au das Stück Brot hat gestohlen und darauf war verstorben, da war der Urwald noch nicht gestanden. Der Leib war verwesen, der Hans vergessen, die Seel' ist im Fegfeuer gelegen.
und fällt nieder auf den ſchattigen Erdengrund. Und der Erdboden ſaugt es ein und keine Spur iſt mehr von dem funkelnden Sternchen.
So lebt des Waldes Kind und ſo vergeht es.
Draußen iſt es anders. Draußen erſtarren die Tropfen in dem froſtigen Hauch der Sitte, und die Eiszapfen klingeln aneinander und gar im Nieder- fallen klingeln ſie und ruhen, eine Weile noch der Welt Herrlichkeit in ſich ſpiegelnd, auf dem Erd- boden bis ſie zerfließen und verthauen, wie der Gedanke an einen lieben Todten.
Draußen treiben ſie noch ein helles Geflunker mit ihren Sterbenden und mit ihren Todten. Im Walde hat der todte Schläfer kein Nachtlicht, wie der lebendige keines gehabt. „Das ewige Licht leuchte ihnen!“ iſt das einzige Begehren. Die matte Spätherbſtſonne lächelt mild und verſpricht ihren ewigen Glanz, und der nächſte Frühling ſorgt für Blumen und Kränze.
Nicht der todten Leiber wird im Walde gedacht, ſondern ihrer lebenden Seelen Wehe, wenn dieſe ſündig verſtorben im Fegfeuer ſchmachten!
Als der hungernde Hans ſeinem hungernden Nachbar auf der Au das Stück Brot hat geſtohlen und darauf war verſtorben, da war der Urwald noch nicht geſtanden. Der Leib war verweſen, der Hans vergeſſen, die Seel’ iſt im Fegfeuer gelegen.
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und fällt nieder auf den ſchattigen Erdengrund. Und
der Erdboden ſaugt es ein und keine Spur iſt mehr
von dem funkelnden Sternchen.
So lebt des Waldes Kind und ſo vergeht es.
Draußen iſt es anders. Draußen erſtarren die
Tropfen in dem froſtigen Hauch der Sitte, und die
Eiszapfen klingeln aneinander und gar im Nieder-
fallen klingeln ſie und ruhen, eine Weile noch der
Welt Herrlichkeit in ſich ſpiegelnd, auf dem Erd-
boden bis ſie zerfließen und verthauen, wie der
Gedanke an einen lieben Todten.
Draußen treiben ſie noch ein helles Geflunker
mit ihren Sterbenden und mit ihren Todten. Im
Walde hat der todte Schläfer kein Nachtlicht, wie
der lebendige keines gehabt. „Das ewige Licht
leuchte ihnen!“ iſt das einzige Begehren. Die matte
Spätherbſtſonne lächelt mild und verſpricht ihren
ewigen Glanz, und der nächſte Frühling ſorgt für
Blumen und Kränze.
Nicht der todten Leiber wird im Walde gedacht,
ſondern ihrer lebenden Seelen Wehe, wenn dieſe
ſündig verſtorben im Fegfeuer ſchmachten!
Als der hungernde Hans ſeinem hungernden
Nachbar auf der Au das Stück Brot hat geſtohlen
und darauf war verſtorben, da war der Urwald
noch nicht geſtanden. Der Leib war verweſen, der
Hans vergeſſen, die Seel’ iſt im Fegfeuer gelegen.
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/216>, abgerufen am 23.11.2024.
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