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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Ich entgegnete, daß ich das Blut auch gesehen
habe, daß dasselbe aber von einem Lämmlein her-
rühre, welches die Winkelhüterin gestern Abends
eben für den Erdmann ausgeweidet habe; daß den
Erdmann also nicht die Wölfe aufgefressen hätten,
sondern daß der Erdmann das Lämmlein aufgegessen
habe, und daß besagter Erdmann ich selber sei.

Der Mann ist darauf recht verlegen und meint,
er habe mich nicht erkannt, sonst hätte er das Ge-
rücht nicht nacherzählt, ich möge ihm nur verzeihen,
daß die Sache nicht wahr.



Am Petri-Kettenfeiertag 1817.

Das ist wie ein knatterndes Lauffeuer durch
den Wald gegangen. Im Karwasserschlag wissen sie
es, in Miesenbach wissen sie es, in den Lautergräben
wissen sie es; und ich im Winkel weiß es, daß es
Die' bereits Alle wissen, was doch erst heute
morgens geschehen ist.

Das Töchterlein des Mathes besucht zuweilen
die Grabesstätte des Vaters und bepflanzt sie mit
Hagebuttensträuchen. Heute zur Frühe, wie es wieder
hinkommt, leuchtet ihm etwas entgegen. Auf dem
Hügel ragt ein Stab und daran flattert ein Stück
Papier. Das Mädchen läuft heim zur Mutter,

Ich entgegnete, daß ich das Blut auch geſehen
habe, daß dasſelbe aber von einem Lämmlein her-
rühre, welches die Winkelhüterin geſtern Abends
eben für den Erdmann ausgeweidet habe; daß den
Erdmann alſo nicht die Wölfe aufgefreſſen hätten,
ſondern daß der Erdmann das Lämmlein aufgegeſſen
habe, und daß beſagter Erdmann ich ſelber ſei.

Der Mann iſt darauf recht verlegen und meint,
er habe mich nicht erkannt, ſonſt hätte er das Ge-
rücht nicht nacherzählt, ich möge ihm nur verzeihen,
daß die Sache nicht wahr.



Am Petri-Kettenfeiertag 1817.

Das iſt wie ein knatterndes Lauffeuer durch
den Wald gegangen. Im Karwaſſerſchlag wiſſen ſie
es, in Mieſenbach wiſſen ſie es, in den Lautergräben
wiſſen ſie es; und ich im Winkel weiß es, daß es
Die’ bereits Alle wiſſen, was doch erſt heute
morgens geſchehen iſt.

Das Töchterlein des Mathes beſucht zuweilen
die Grabesſtätte des Vaters und bepflanzt ſie mit
Hagebuttenſträuchen. Heute zur Frühe, wie es wieder
hinkommt, leuchtet ihm etwas entgegen. Auf dem
Hügel ragt ein Stab und daran flattert ein Stück
Papier. Das Mädchen läuft heim zur Mutter,

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[204/0214] Ich entgegnete, daß ich das Blut auch geſehen habe, daß dasſelbe aber von einem Lämmlein her- rühre, welches die Winkelhüterin geſtern Abends eben für den Erdmann ausgeweidet habe; daß den Erdmann alſo nicht die Wölfe aufgefreſſen hätten, ſondern daß der Erdmann das Lämmlein aufgegeſſen habe, und daß beſagter Erdmann ich ſelber ſei. Der Mann iſt darauf recht verlegen und meint, er habe mich nicht erkannt, ſonſt hätte er das Ge- rücht nicht nacherzählt, ich möge ihm nur verzeihen, daß die Sache nicht wahr. Am Petri-Kettenfeiertag 1817. Das iſt wie ein knatterndes Lauffeuer durch den Wald gegangen. Im Karwaſſerſchlag wiſſen ſie es, in Mieſenbach wiſſen ſie es, in den Lautergräben wiſſen ſie es; und ich im Winkel weiß es, daß es Die’ bereits Alle wiſſen, was doch erſt heute morgens geſchehen iſt. Das Töchterlein des Mathes beſucht zuweilen die Grabesſtätte des Vaters und bepflanzt ſie mit Hagebuttenſträuchen. Heute zur Frühe, wie es wieder hinkommt, leuchtet ihm etwas entgegen. Auf dem Hügel ragt ein Stab und daran flattert ein Stück Papier. Das Mädchen läuft heim zur Mutter,

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/214>, abgerufen am 23.11.2024.