und mein Vater schickt mich her -- der Vater schickt mich her . . . ."
Der Schlingel hat die Ansprache auswendig gelernt und bleibt stecken und wird roth und will sich wieder von dannen wenden. Ich habe Mühe, bis ich es erfahre, daß sein Vater mir sagen lassen, er sei völlig geheilt und mir wünsche er dasselbe, und er komme demnächst zu mir, um sich zu be- danken, und er schicke zwei übermütige Schopfmeisen, und er möchte mir, da ich, wie er wisse, noch nicht in das Freie gehen könne, das ganze Frühjahr in die Stube senden.
Was fange ich mit den kleinen Thieren an? sie flattern wirr im Käfig umher und zerstoßen sich vor Angst die Köpfchen an den Spangen. Ich lasse sie in unseres Herrgotts Vogelkäfig, in den Mai hinausfliegen.
Und als endlich die Zeit erfüllt, da bin ich eines frühen Morgens hinausgetreten in den freien Mai. -- Der Haushahn kräht, der Morgenstern guckt helläugig über den dunkeln Waldberg. Der Morgenstern ist ein guter Geselle; der leuchtet getreu- lich, so lange es noch dunkel ist, und tritt beschei- den in den Hintergrund, sobald die Sonne kommt.
Leise schleiche ich durch das Hausthor, daß ich die Leute nicht wecke, die haben nicht wochenlang so ausgerastet, wie ich; denen liegt noch der gestrige
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und mein Vater ſchickt mich her — der Vater ſchickt mich her . . . .“
Der Schlingel hat die Anſprache auswendig gelernt und bleibt ſtecken und wird roth und will ſich wieder von dannen wenden. Ich habe Mühe, bis ich es erfahre, daß ſein Vater mir ſagen laſſen, er ſei völlig geheilt und mir wünſche er dasſelbe, und er komme demnächſt zu mir, um ſich zu be- danken, und er ſchicke zwei übermütige Schopfmeiſen, und er möchte mir, da ich, wie er wiſſe, noch nicht in das Freie gehen könne, das ganze Frühjahr in die Stube ſenden.
Was fange ich mit den kleinen Thieren an? ſie flattern wirr im Käfig umher und zerſtoßen ſich vor Angſt die Köpfchen an den Spangen. Ich laſſe ſie in unſeres Herrgotts Vogelkäfig, in den Mai hinausfliegen.
Und als endlich die Zeit erfüllt, da bin ich eines frühen Morgens hinausgetreten in den freien Mai. — Der Haushahn kräht, der Morgenſtern guckt helläugig über den dunkeln Waldberg. Der Morgenſtern iſt ein guter Geſelle; der leuchtet getreu- lich, ſo lange es noch dunkel iſt, und tritt beſchei- den in den Hintergrund, ſobald die Sonne kommt.
Leiſe ſchleiche ich durch das Hausthor, daß ich die Leute nicht wecke, die haben nicht wochenlang ſo ausgeraſtet, wie ich; denen liegt noch der geſtrige
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und mein Vater ſchickt mich her — der Vater ſchickt
mich her . . . .“
Der Schlingel hat die Anſprache auswendig
gelernt und bleibt ſtecken und wird roth und will
ſich wieder von dannen wenden. Ich habe Mühe,
bis ich es erfahre, daß ſein Vater mir ſagen laſſen,
er ſei völlig geheilt und mir wünſche er dasſelbe,
und er komme demnächſt zu mir, um ſich zu be-
danken, und er ſchicke zwei übermütige Schopfmeiſen,
und er möchte mir, da ich, wie er wiſſe, noch nicht
in das Freie gehen könne, das ganze Frühjahr in
die Stube ſenden.
Was fange ich mit den kleinen Thieren an?
ſie flattern wirr im Käfig umher und zerſtoßen ſich
vor Angſt die Köpfchen an den Spangen. Ich laſſe
ſie in unſeres Herrgotts Vogelkäfig, in den Mai
hinausfliegen.
Und als endlich die Zeit erfüllt, da bin ich
eines frühen Morgens hinausgetreten in den freien
Mai. — Der Haushahn kräht, der Morgenſtern
guckt helläugig über den dunkeln Waldberg. Der
Morgenſtern iſt ein guter Geſelle; der leuchtet getreu-
lich, ſo lange es noch dunkel iſt, und tritt beſchei-
den in den Hintergrund, ſobald die Sonne kommt.
Leiſe ſchleiche ich durch das Hausthor, daß ich
die Leute nicht wecke, die haben nicht wochenlang
ſo ausgeraſtet, wie ich; denen liegt noch der geſtrige
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/205>, abgerufen am 23.11.2024.
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