Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Auch die Witwe des schwarzen Mathes ist
einmal zu mir gekommen. Sie hat mich in großem
Kummer gefragt, was mit ihrem Buben, dem La-
zarus zu machen, der habe die wilde Wuth. Die
wilde Wuth, das sei, wenn Einer über den gering-
sten Anlaß in Zorn ausbreche und Alles bedrohe.
Der Lazarus sei so; er habe das in weit höherem
Grade, als es sein Vater gehabt; Schwester und
Mutter seien in Gefahr, wenn der Knabe nur erst
kräftiger würde. Ob es gegen ein solches Elend
denn gar kein Mittel gäbe. Was kann ich der be-
drängten Frau rathen? Eine stete, gleichmäßige
Beschäftigung und eine liebreiche, aber ernsthafte
Behandlung sei dem Knaben angedeihen zu lassen,
habe ich vorgeschlagen.

Unter allen Menschen der Winkelwälder dauert
mich dieses Weib am meisten. Ihr Mann ist nach
einem unglückseligen Leben gewaltsam erschlagen
und ehrlos begraben worden. Dem Kinde steht
nichts Besseres bevor. Und das Weib, vormaleinst an
bessere Tage gewohnt, ist so weichherzig und milde.

Ehgestern kommt ein Knabe zu mir, der einen
Vogelkäfig mit sich schleppt. Der Junge ist so klein,
daß er mit seinem Händchen gar die Thürklinke
nicht erreichen kann, und eine Weile zaghaft klöpfelt,
bis ich ihm öffne. Er steht noch in der Thür, als
er anhebt: "Ich bin der Bub' vom Markus Jäger,

Auch die Witwe des ſchwarzen Mathes iſt
einmal zu mir gekommen. Sie hat mich in großem
Kummer gefragt, was mit ihrem Buben, dem La-
zarus zu machen, der habe die wilde Wuth. Die
wilde Wuth, das ſei, wenn Einer über den gering-
ſten Anlaß in Zorn ausbreche und Alles bedrohe.
Der Lazarus ſei ſo; er habe das in weit höherem
Grade, als es ſein Vater gehabt; Schweſter und
Mutter ſeien in Gefahr, wenn der Knabe nur erſt
kräftiger würde. Ob es gegen ein ſolches Elend
denn gar kein Mittel gäbe. Was kann ich der be-
drängten Frau rathen? Eine ſtete, gleichmäßige
Beſchäftigung und eine liebreiche, aber ernſthafte
Behandlung ſei dem Knaben angedeihen zu laſſen,
habe ich vorgeſchlagen.

Unter allen Menſchen der Winkelwälder dauert
mich dieſes Weib am meiſten. Ihr Mann iſt nach
einem unglückſeligen Leben gewaltſam erſchlagen
und ehrlos begraben worden. Dem Kinde ſteht
nichts Beſſeres bevor. Und das Weib, vormaleinſt an
beſſere Tage gewohnt, iſt ſo weichherzig und milde.

Ehgeſtern kommt ein Knabe zu mir, der einen
Vogelkäfig mit ſich ſchleppt. Der Junge iſt ſo klein,
daß er mit ſeinem Händchen gar die Thürklinke
nicht erreichen kann, und eine Weile zaghaft klöpfelt,
bis ich ihm öffne. Er ſteht noch in der Thür, als
er anhebt: „Ich bin der Bub’ vom Markus Jäger,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0204" n="194"/>
        <p>Auch die Witwe des &#x017F;chwarzen Mathes i&#x017F;t<lb/>
einmal zu mir gekommen. Sie hat mich in großem<lb/>
Kummer gefragt, was mit ihrem Buben, dem La-<lb/>
zarus zu machen, der habe die wilde Wuth. Die<lb/>
wilde Wuth, das &#x017F;ei, wenn Einer über den gering-<lb/>
&#x017F;ten Anlaß in Zorn ausbreche und Alles bedrohe.<lb/>
Der Lazarus &#x017F;ei &#x017F;o; er habe das in weit höherem<lb/>
Grade, als es &#x017F;ein Vater gehabt; Schwe&#x017F;ter und<lb/>
Mutter &#x017F;eien in Gefahr, wenn der Knabe nur er&#x017F;t<lb/>
kräftiger würde. Ob es gegen ein &#x017F;olches Elend<lb/>
denn gar kein Mittel gäbe. Was kann ich der be-<lb/>
drängten Frau rathen? Eine &#x017F;tete, gleichmäßige<lb/>
Be&#x017F;chäftigung und eine liebreiche, aber ern&#x017F;thafte<lb/>
Behandlung &#x017F;ei dem Knaben angedeihen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
habe ich vorge&#x017F;chlagen.</p><lb/>
        <p>Unter allen Men&#x017F;chen der Winkelwälder dauert<lb/>
mich die&#x017F;es Weib am mei&#x017F;ten. Ihr Mann i&#x017F;t nach<lb/>
einem unglück&#x017F;eligen Leben gewalt&#x017F;am er&#x017F;chlagen<lb/>
und ehrlos begraben worden. Dem Kinde &#x017F;teht<lb/>
nichts Be&#x017F;&#x017F;eres bevor. Und das Weib, vormalein&#x017F;t an<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ere Tage gewohnt, i&#x017F;t &#x017F;o weichherzig und milde.</p><lb/>
        <p>Ehge&#x017F;tern kommt ein Knabe zu mir, der einen<lb/>
Vogelkäfig mit &#x017F;ich &#x017F;chleppt. Der Junge i&#x017F;t &#x017F;o klein,<lb/>
daß er mit &#x017F;einem Händchen gar die Thürklinke<lb/>
nicht erreichen kann, und eine Weile zaghaft klöpfelt,<lb/>
bis ich ihm öffne. Er &#x017F;teht noch in der Thür, als<lb/>
er anhebt: &#x201E;Ich bin der Bub&#x2019; vom Markus Jäger,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0204] Auch die Witwe des ſchwarzen Mathes iſt einmal zu mir gekommen. Sie hat mich in großem Kummer gefragt, was mit ihrem Buben, dem La- zarus zu machen, der habe die wilde Wuth. Die wilde Wuth, das ſei, wenn Einer über den gering- ſten Anlaß in Zorn ausbreche und Alles bedrohe. Der Lazarus ſei ſo; er habe das in weit höherem Grade, als es ſein Vater gehabt; Schweſter und Mutter ſeien in Gefahr, wenn der Knabe nur erſt kräftiger würde. Ob es gegen ein ſolches Elend denn gar kein Mittel gäbe. Was kann ich der be- drängten Frau rathen? Eine ſtete, gleichmäßige Beſchäftigung und eine liebreiche, aber ernſthafte Behandlung ſei dem Knaben angedeihen zu laſſen, habe ich vorgeſchlagen. Unter allen Menſchen der Winkelwälder dauert mich dieſes Weib am meiſten. Ihr Mann iſt nach einem unglückſeligen Leben gewaltſam erſchlagen und ehrlos begraben worden. Dem Kinde ſteht nichts Beſſeres bevor. Und das Weib, vormaleinſt an beſſere Tage gewohnt, iſt ſo weichherzig und milde. Ehgeſtern kommt ein Knabe zu mir, der einen Vogelkäfig mit ſich ſchleppt. Der Junge iſt ſo klein, daß er mit ſeinem Händchen gar die Thürklinke nicht erreichen kann, und eine Weile zaghaft klöpfelt, bis ich ihm öffne. Er ſteht noch in der Thür, als er anhebt: „Ich bin der Bub’ vom Markus Jäger,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/204
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/204>, abgerufen am 23.11.2024.