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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"Fünfzig Jahre dahier Schullehrer!" rief ich.

"Schullehrer und Bader und Amtmann und
eine Weil' gar auch Pfarrer ist er gewesen."

"Und ein Halbnarr ist er auch gewesen!" schrie
Einer vom Nebentische her, wo sich mehrere
schwarze Gesellen, etwa Holzer und Kohlenbrenner,
bei Schnapsgläsern niedergelassen hatten. "Ja frei-
lich," rief die Stimme, "da draußen bei der Wach-
holderstauden ist er die längste Zeit gehockt und hat
mit dem Wisch geschwätzt und den Gimpeln hat
er das Singen lehren wollen nach Noten. Hat
er wo einen scheckigen Falter erspäht, so ist
er ihm nachgeholpert den ganzen halben Tag;
-- ein Halterbübel könnt nicht kindischer sein. Hat
ihn leicht gar so ein Thier fortgelockt, hat der
Alte nimmer heimgefunden, ist liegen blieben im
Wald."

"Zur Weihnachtszeit fliegen keine Falter herum,
Josel," sagte der Wirth, halb berichtigend, halb ver-
weisend, "und daß er in der Christnacht ist in Ver-
lust gerathen, das wirst wissen."

"Der Teufel hat ihn geholt, den alten Saker-
menter!" gröhlte eine andere Stimme in dem finster-
sten Winkel der Stube, am großen Kachelofen. Als
ich hinblickte, sah ich in der Dunkelheit die Funken
eines Feuersteines sprühen.


„Fünfzig Jahre dahier Schullehrer!“ rief ich.

„Schullehrer und Bader und Amtmann und
eine Weil’ gar auch Pfarrer iſt er geweſen.“

„Und ein Halbnarr iſt er auch geweſen!“ ſchrie
Einer vom Nebentiſche her, wo ſich mehrere
ſchwarze Geſellen, etwa Holzer und Kohlenbrenner,
bei Schnapsgläſern niedergelaſſen hatten. „Ja frei-
lich,“ rief die Stimme, „da draußen bei der Wach-
holderſtauden iſt er die längſte Zeit gehockt und hat
mit dem Wiſch geſchwätzt und den Gimpeln hat
er das Singen lehren wollen nach Noten. Hat
er wo einen ſcheckigen Falter erſpäht, ſo iſt
er ihm nachgeholpert den ganzen halben Tag;
— ein Halterbübel könnt nicht kindiſcher ſein. Hat
ihn leicht gar ſo ein Thier fortgelockt, hat der
Alte nimmer heimgefunden, iſt liegen blieben im
Wald.“

„Zur Weihnachtszeit fliegen keine Falter herum,
Joſel,“ ſagte der Wirth, halb berichtigend, halb ver-
weiſend, „und daß er in der Chriſtnacht iſt in Ver-
luſt gerathen, das wirſt wiſſen.“

„Der Teufel hat ihn geholt, den alten Saker-
menter!“ gröhlte eine andere Stimme in dem finſter-
ſten Winkel der Stube, am großen Kachelofen. Als
ich hinblickte, ſah ich in der Dunkelheit die Funken
eines Feuerſteines ſprühen.


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[10/0020] „Fünfzig Jahre dahier Schullehrer!“ rief ich. „Schullehrer und Bader und Amtmann und eine Weil’ gar auch Pfarrer iſt er geweſen.“ „Und ein Halbnarr iſt er auch geweſen!“ ſchrie Einer vom Nebentiſche her, wo ſich mehrere ſchwarze Geſellen, etwa Holzer und Kohlenbrenner, bei Schnapsgläſern niedergelaſſen hatten. „Ja frei- lich,“ rief die Stimme, „da draußen bei der Wach- holderſtauden iſt er die längſte Zeit gehockt und hat mit dem Wiſch geſchwätzt und den Gimpeln hat er das Singen lehren wollen nach Noten. Hat er wo einen ſcheckigen Falter erſpäht, ſo iſt er ihm nachgeholpert den ganzen halben Tag; — ein Halterbübel könnt nicht kindiſcher ſein. Hat ihn leicht gar ſo ein Thier fortgelockt, hat der Alte nimmer heimgefunden, iſt liegen blieben im Wald.“ „Zur Weihnachtszeit fliegen keine Falter herum, Joſel,“ ſagte der Wirth, halb berichtigend, halb ver- weiſend, „und daß er in der Chriſtnacht iſt in Ver- luſt gerathen, das wirſt wiſſen.“ „Der Teufel hat ihn geholt, den alten Saker- menter!“ gröhlte eine andere Stimme in dem finſter- ſten Winkel der Stube, am großen Kachelofen. Als ich hinblickte, ſah ich in der Dunkelheit die Funken eines Feuerſteines ſprühen.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/20>, abgerufen am 23.11.2024.