in den kühlen Erdboden hinein. Nachher kommt eine schöne Frau in guldenem Wagen gefahren, und an den guldenen Wagen sind zwei Kätzlein gespannt, die graben mit ihren Pfoten die Braut- gabe aus, und die Frau nimmt die Gab' in ihre schneeweißen Händ' und fährt dreimal um die Hütten herum; nachher kann kein Elend kommen in eueren heiligen Eh'stand." -- So klingt das Mär- chen von der Freya noch fort im deutschen Walde.
Die Annamirl schweigt eine Weile und dreht die schweren, säuberlich gerupften und gefüllten Ge- flügel in der Hand um und um, als wären sie schon am Bratspieß, dann versetzt sie: "Ich halt', Mutter, in der Erden kunnten sie verfaulen, oder es fräßen sie die Kätzlein, und deswegen ist es, daß ich sag': wir essen sie selber."
Zuletzt naht gar der feine Branntweiner mit seinem großen vollbauchigen Plutzer, der gleich einen prächtigen, weingeistigen Geruch verbreitet in der ganzen Hütte. Das riecht der Ruß-Bartelmei, der sofort herbeieilt, um zu sehen, wie so ein Ton- plutzer doch eigentlich gemacht und zugestopft ist.
Aber da kommt die Annamirl dazwischen: "Dank dir zu tausendmal Gott, Branntweinhannes, das ist schon gar zu viel, das können wir nicht ab- statten. Das ist leicht das best' Brautgeschenk, und so thu' ich damit den alten Brauch."
in den kühlen Erdboden hinein. Nachher kommt eine ſchöne Frau in guldenem Wagen gefahren, und an den guldenen Wagen ſind zwei Kätzlein geſpannt, die graben mit ihren Pfoten die Braut- gabe aus, und die Frau nimmt die Gab’ in ihre ſchneeweißen Händ’ und fährt dreimal um die Hütten herum; nachher kann kein Elend kommen in eueren heiligen Eh’ſtand.“ — So klingt das Mär- chen von der Freya noch fort im deutſchen Walde.
Die Annamirl ſchweigt eine Weile und dreht die ſchweren, ſäuberlich gerupften und gefüllten Ge- flügel in der Hand um und um, als wären ſie ſchon am Bratſpieß, dann verſetzt ſie: „Ich halt’, Mutter, in der Erden kunnten ſie verfaulen, oder es fräßen ſie die Kätzlein, und deswegen iſt es, daß ich ſag’: wir eſſen ſie ſelber.“
Zuletzt naht gar der feine Branntweiner mit ſeinem großen vollbauchigen Plutzer, der gleich einen prächtigen, weingeiſtigen Geruch verbreitet in der ganzen Hütte. Das riecht der Ruß-Bartelmei, der ſofort herbeieilt, um zu ſehen, wie ſo ein Ton- plutzer doch eigentlich gemacht und zugeſtopft iſt.
Aber da kommt die Annamirl dazwiſchen: „Dank dir zu tauſendmal Gott, Branntweinhannes, das iſt ſchon gar zu viel, das können wir nicht ab- ſtatten. Das iſt leicht das beſt’ Brautgeſchenk, und ſo thu’ ich damit den alten Brauch.“
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in den kühlen Erdboden hinein. Nachher kommt
eine ſchöne Frau in guldenem Wagen gefahren,
und an den guldenen Wagen ſind zwei Kätzlein
geſpannt, die graben mit ihren Pfoten die Braut-
gabe aus, und die Frau nimmt die Gab’ in ihre
ſchneeweißen Händ’ und fährt dreimal um die
Hütten herum; nachher kann kein Elend kommen in
eueren heiligen Eh’ſtand.“ — So klingt das Mär-
chen von der Freya noch fort im deutſchen Walde.
Die Annamirl ſchweigt eine Weile und dreht
die ſchweren, ſäuberlich gerupften und gefüllten Ge-
flügel in der Hand um und um, als wären ſie
ſchon am Bratſpieß, dann verſetzt ſie: „Ich halt’,
Mutter, in der Erden kunnten ſie verfaulen, oder
es fräßen ſie die Kätzlein, und deswegen iſt es,
daß ich ſag’: wir eſſen ſie ſelber.“
Zuletzt naht gar der feine Branntweiner mit
ſeinem großen vollbauchigen Plutzer, der gleich
einen prächtigen, weingeiſtigen Geruch verbreitet in
der ganzen Hütte. Das riecht der Ruß-Bartelmei,
der ſofort herbeieilt, um zu ſehen, wie ſo ein Ton-
plutzer doch eigentlich gemacht und zugeſtopft iſt.
Aber da kommt die Annamirl dazwiſchen:
„Dank dir zu tauſendmal Gott, Branntweinhannes,
das iſt ſchon gar zu viel, das können wir nicht ab-
ſtatten. Das iſt leicht das beſt’ Brautgeſchenk, und
ſo thu’ ich damit den alten Brauch.“
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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