habe und der ihnen zum Hochzeitstag die Ehre erweisen werde.
Das junge Weib wendet sich ein wenig gegen mich und sagt: "Schauet, daß ihr wo niedersitzen mögt, 's geht halt so viel zerissen zu, bei uns; wir haben nicht einmal einen ordentlichen Sitzstuhl."
Hierauf spricht der junge Mann eine Weile leise mit seiner Braut. Ich halte, er hat ihr die Geschichte von der Sennhütte erzählt, weil sie auf einmal ausgerufen: "Aber na, du bist aber doch ein rechter Närrisch! Mußt denn überall hinein- gucken, oder bist es von eher so gewohnt worden, da oben bei der Sennhütten?"
Der Bursche wendet sich zu seiner Schwieger- mutter: "Gebt her die Schuh', ihr laßt ja doch die Löcher zur Hälfte aus; für so feine Arbeit mögt ihr nimmer lugen."
"Ja, du Paul, dasselb' ist wol wahr auch," keifelt die Alte gemüthlich aus ihrem zahnlosen Munde, "aber hörst, Paul, meine Ahndl hat mei- ner Mutter die Brautschuh eingeriemt, meine Mutter hat's mir gethan; und ich, für was wäre ich altes Krückel denn auf der Welt, wollt' ich für meine Annamirl nicht auch einriemen."
"Leicht kriegt ihr bald andere Arbeit, Mutterle, beim Heideln (Wiegen) braucht ihr nicht zu lugen," versetzt der Paul schalkhaft.
Rosegger: Waldschulmeister. 11
habe und der ihnen zum Hochzeitstag die Ehre erweiſen werde.
Das junge Weib wendet ſich ein wenig gegen mich und ſagt: „Schauet, daß ihr wo niederſitzen mögt, ’s geht halt ſo viel zeriſſen zu, bei uns; wir haben nicht einmal einen ordentlichen Sitzſtuhl.“
Hierauf ſpricht der junge Mann eine Weile leiſe mit ſeiner Braut. Ich halte, er hat ihr die Geſchichte von der Sennhütte erzählt, weil ſie auf einmal ausgerufen: „Aber na, du biſt aber doch ein rechter Närriſch! Mußt denn überall hinein- gucken, oder biſt es von eher ſo gewohnt worden, da oben bei der Sennhütten?“
Der Burſche wendet ſich zu ſeiner Schwieger- mutter: „Gebt her die Schuh’, ihr laßt ja doch die Löcher zur Hälfte aus; für ſo feine Arbeit mögt ihr nimmer lugen.“
„Ja, du Paul, dasſelb’ iſt wol wahr auch,“ keifelt die Alte gemüthlich aus ihrem zahnloſen Munde, „aber hörſt, Paul, meine Ahndl hat mei- ner Mutter die Brautſchuh eingeriemt, meine Mutter hat’s mir gethan; und ich, für was wäre ich altes Krückel denn auf der Welt, wollt’ ich für meine Annamirl nicht auch einriemen.“
„Leicht kriegt ihr bald andere Arbeit, Mutterle, beim Heideln (Wiegen) braucht ihr nicht zu lugen,“ verſetzt der Paul ſchalkhaft.
Roſegger: Waldſchulmeiſter. 11
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0171"n="161"/>
habe und der ihnen zum Hochzeitstag die Ehre<lb/>
erweiſen werde.</p><lb/><p>Das junge Weib wendet ſich ein wenig gegen<lb/>
mich und ſagt: „Schauet, daß ihr wo niederſitzen<lb/>
mögt, ’s geht halt ſo viel zeriſſen zu, bei uns;<lb/>
wir haben nicht einmal einen ordentlichen Sitzſtuhl.“</p><lb/><p>Hierauf ſpricht der junge Mann eine Weile<lb/>
leiſe mit ſeiner Braut. Ich halte, er hat ihr die<lb/>
Geſchichte von der Sennhütte erzählt, weil ſie auf<lb/>
einmal ausgerufen: „Aber na, du biſt aber doch<lb/>
ein rechter Närriſch! Mußt denn überall hinein-<lb/>
gucken, oder biſt es von eher ſo gewohnt worden,<lb/>
da oben bei der Sennhütten?“</p><lb/><p>Der Burſche wendet ſich zu ſeiner Schwieger-<lb/>
mutter: „Gebt her die Schuh’, ihr laßt ja doch<lb/>
die Löcher zur Hälfte aus; für ſo feine Arbeit mögt<lb/>
ihr nimmer lugen.“</p><lb/><p>„Ja, du Paul, dasſelb’ iſt wol wahr auch,“<lb/>
keifelt die Alte gemüthlich aus ihrem zahnloſen<lb/>
Munde, „aber hörſt, Paul, meine Ahndl hat mei-<lb/>
ner Mutter die Brautſchuh eingeriemt, meine Mutter<lb/>
hat’s mir gethan; und ich, für was wäre ich altes<lb/>
Krückel denn auf der Welt, wollt’ ich für meine<lb/>
Annamirl nicht auch einriemen.“</p><lb/><p>„Leicht kriegt ihr bald andere Arbeit, Mutterle,<lb/>
beim Heideln (Wiegen) braucht ihr nicht zu lugen,“<lb/>
verſetzt der Paul ſchalkhaft.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Roſegger: Waldſchulmeiſter. 11</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[161/0171]
habe und der ihnen zum Hochzeitstag die Ehre
erweiſen werde.
Das junge Weib wendet ſich ein wenig gegen
mich und ſagt: „Schauet, daß ihr wo niederſitzen
mögt, ’s geht halt ſo viel zeriſſen zu, bei uns;
wir haben nicht einmal einen ordentlichen Sitzſtuhl.“
Hierauf ſpricht der junge Mann eine Weile
leiſe mit ſeiner Braut. Ich halte, er hat ihr die
Geſchichte von der Sennhütte erzählt, weil ſie auf
einmal ausgerufen: „Aber na, du biſt aber doch
ein rechter Närriſch! Mußt denn überall hinein-
gucken, oder biſt es von eher ſo gewohnt worden,
da oben bei der Sennhütten?“
Der Burſche wendet ſich zu ſeiner Schwieger-
mutter: „Gebt her die Schuh’, ihr laßt ja doch
die Löcher zur Hälfte aus; für ſo feine Arbeit mögt
ihr nimmer lugen.“
„Ja, du Paul, dasſelb’ iſt wol wahr auch,“
keifelt die Alte gemüthlich aus ihrem zahnloſen
Munde, „aber hörſt, Paul, meine Ahndl hat mei-
ner Mutter die Brautſchuh eingeriemt, meine Mutter
hat’s mir gethan; und ich, für was wäre ich altes
Krückel denn auf der Welt, wollt’ ich für meine
Annamirl nicht auch einriemen.“
„Leicht kriegt ihr bald andere Arbeit, Mutterle,
beim Heideln (Wiegen) braucht ihr nicht zu lugen,“
verſetzt der Paul ſchalkhaft.
Roſegger: Waldſchulmeiſter. 11
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/171>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.