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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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hängen von Höhe zu Höhe. Dazwischen ragen kahle
Felsthürme auf, und dort in luftiger Ferne über die
lichten Gletscher erhebt sich ein dunkelgrauer, scharfzacki-
ger Kegel, weit emporragend über die höchsten Gipfel
des Gebirges. Das ist mein Ziel, der graue Zahn.

Ein scharfkalter Luftstrom hat gerieselt von
den Gletschern her und das ganze unmeßbare
Himmelsrund ist fast finsterblau gewesen, daß ich über
den grauen Zahn herüber jenen Stern hab erblickt,
den wir zur ersten Morgen- oder Nachtstunde so
wundersam leuchten sehen und den sie die Venus
heißen. Es ist aber doch die Sonne gestanden hoch in
dem Gezelt. Die fernen Schneeberge und Felshäupter
sind so klar und niedlich gewesen, daß ich schier
vermeint, sie lägen ein par Büchsenschußweiten vor
mir und wären aus glitzerndem Zucker geformt.

Gegen Morgen hin fällt die Gegend ab in
den hügeligen Grund des dämmernden Waldes.
Und die sonst so hochragenden Almweiden liegen
tief wie in einem Abgrunde, und dort und da liegt
das graue Würfelchen einer Almhütte, von dem nur
die eine Fläche, das Dach heraufschimmert. Von
der Mitternachtsseite heran gähnen die schauerlichen
Tiefen des Gesenkes, in deren Schatten das schwarze
glanzlose Auge des Sees starrt.

Nun bin ich ein par Stunden den beschwer-
lichen und gefährlichen Weg der Kante entlang

hängen von Höhe zu Höhe. Dazwiſchen ragen kahle
Felsthürme auf, und dort in luftiger Ferne über die
lichten Gletſcher erhebt ſich ein dunkelgrauer, ſcharfzacki-
ger Kegel, weit emporragend über die höchſten Gipfel
des Gebirges. Das iſt mein Ziel, der graue Zahn.

Ein ſcharfkalter Luftſtrom hat gerieſelt von
den Gletſchern her und das ganze unmeßbare
Himmelsrund iſt faſt finſterblau geweſen, daß ich über
den grauen Zahn herüber jenen Stern hab erblickt,
den wir zur erſten Morgen- oder Nachtſtunde ſo
wunderſam leuchten ſehen und den ſie die Venus
heißen. Es iſt aber doch die Sonne geſtanden hoch in
dem Gezelt. Die fernen Schneeberge und Felshäupter
ſind ſo klar und niedlich geweſen, daß ich ſchier
vermeint, ſie lägen ein par Büchſenſchußweiten vor
mir und wären aus glitzerndem Zucker geformt.

Gegen Morgen hin fällt die Gegend ab in
den hügeligen Grund des dämmernden Waldes.
Und die ſonſt ſo hochragenden Almweiden liegen
tief wie in einem Abgrunde, und dort und da liegt
das graue Würfelchen einer Almhütte, von dem nur
die eine Fläche, das Dach heraufſchimmert. Von
der Mitternachtsſeite heran gähnen die ſchauerlichen
Tiefen des Geſenkes, in deren Schatten das ſchwarze
glanzloſe Auge des Sees ſtarrt.

Nun bin ich ein par Stunden den beſchwer-
lichen und gefährlichen Weg der Kante entlang

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[151/0161] hängen von Höhe zu Höhe. Dazwiſchen ragen kahle Felsthürme auf, und dort in luftiger Ferne über die lichten Gletſcher erhebt ſich ein dunkelgrauer, ſcharfzacki- ger Kegel, weit emporragend über die höchſten Gipfel des Gebirges. Das iſt mein Ziel, der graue Zahn. Ein ſcharfkalter Luftſtrom hat gerieſelt von den Gletſchern her und das ganze unmeßbare Himmelsrund iſt faſt finſterblau geweſen, daß ich über den grauen Zahn herüber jenen Stern hab erblickt, den wir zur erſten Morgen- oder Nachtſtunde ſo wunderſam leuchten ſehen und den ſie die Venus heißen. Es iſt aber doch die Sonne geſtanden hoch in dem Gezelt. Die fernen Schneeberge und Felshäupter ſind ſo klar und niedlich geweſen, daß ich ſchier vermeint, ſie lägen ein par Büchſenſchußweiten vor mir und wären aus glitzerndem Zucker geformt. Gegen Morgen hin fällt die Gegend ab in den hügeligen Grund des dämmernden Waldes. Und die ſonſt ſo hochragenden Almweiden liegen tief wie in einem Abgrunde, und dort und da liegt das graue Würfelchen einer Almhütte, von dem nur die eine Fläche, das Dach heraufſchimmert. Von der Mitternachtsſeite heran gähnen die ſchauerlichen Tiefen des Geſenkes, in deren Schatten das ſchwarze glanzloſe Auge des Sees ſtarrt. Nun bin ich ein par Stunden den beſchwer- lichen und gefährlichen Weg der Kante entlang

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/161>, abgerufen am 21.11.2024.