kitzelt; recht grobkörnig und voll Kleiensplitter. Draußen im Land, wo Weizen wächst, thät' so ein Backwerk nicht schmecken; hier ist es ganz der Ge- genstand der Bitte: Gib uns heut' unser täglich Brot! -- Gibt aber auch Zeiten in dieser Gegend, in welchen der Herrgott selbst mit dem Haferbrote kargt; da kommt gedörrtes Stroh und isländisch Moos unter den Mühlstein.
Mir gesegne Gott das Stück Brot und den Schluck Wasser dazu!
Nachher heb' ich an, weiter zu steigen. Zuerst bin ich über das Kar hingegangen, aus dessen Mulden überall graue, verwaschene Steine hervor- quellen. Dazwischen stehen falbe Federgrasschöpfe und Flechtengefilze. Einige zarte, schneeweiße Blüm- lein wiegen sich auch und blicken ängstlich um sich, als hätten sie sich gar sehr verirrt in die Felsenöde herauf und möchten gerne wieder zurück. Von dem einst so schönen rothen Meere der Alpenrosen stehen die spießigen Struppen des Strauches. Ich steige weiter, umgehe einige Felswände und die Kuppe des Kleinzahn, dann schreite ich einer Kante ent- lang, die sich gegen den Hauptgebirgsstock hin- zieht. Da habe ich die blendenden Felder der Gletscher vor mir, glatt, mildleuchtend wie Elfen- bein, sich hinlegend in weiten sanften Lehnen und Mulden oder in schründigen, vielgestaltigen Eis-
kitzelt; recht grobkörnig und voll Kleienſplitter. Draußen im Land, wo Weizen wächſt, thät’ ſo ein Backwerk nicht ſchmecken; hier iſt es ganz der Ge- genſtand der Bitte: Gib uns heut’ unſer täglich Brot! — Gibt aber auch Zeiten in dieſer Gegend, in welchen der Herrgott ſelbſt mit dem Haferbrote kargt; da kommt gedörrtes Stroh und isländiſch Moos unter den Mühlſtein.
Mir geſegne Gott das Stück Brot und den Schluck Waſſer dazu!
Nachher heb’ ich an, weiter zu ſteigen. Zuerſt bin ich über das Kar hingegangen, aus deſſen Mulden überall graue, verwaſchene Steine hervor- quellen. Dazwiſchen ſtehen falbe Federgrasſchöpfe und Flechtengefilze. Einige zarte, ſchneeweiße Blüm- lein wiegen ſich auch und blicken ängſtlich um ſich, als hätten ſie ſich gar ſehr verirrt in die Felſenöde herauf und möchten gerne wieder zurück. Von dem einſt ſo ſchönen rothen Meere der Alpenroſen ſtehen die ſpießigen Struppen des Strauches. Ich ſteige weiter, umgehe einige Felswände und die Kuppe des Kleinzahn, dann ſchreite ich einer Kante ent- lang, die ſich gegen den Hauptgebirgsſtock hin- zieht. Da habe ich die blendenden Felder der Gletſcher vor mir, glatt, mildleuchtend wie Elfen- bein, ſich hinlegend in weiten ſanften Lehnen und Mulden oder in ſchründigen, vielgeſtaltigen Eis-
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kitzelt; recht grobkörnig und voll Kleienſplitter.
Draußen im Land, wo Weizen wächſt, thät’ ſo ein
Backwerk nicht ſchmecken; hier iſt es ganz der Ge-
genſtand der Bitte: Gib uns heut’ unſer täglich
Brot! — Gibt aber auch Zeiten in dieſer Gegend,
in welchen der Herrgott ſelbſt mit dem Haferbrote
kargt; da kommt gedörrtes Stroh und isländiſch
Moos unter den Mühlſtein.
Mir geſegne Gott das Stück Brot und den
Schluck Waſſer dazu!
Nachher heb’ ich an, weiter zu ſteigen. Zuerſt
bin ich über das Kar hingegangen, aus deſſen
Mulden überall graue, verwaſchene Steine hervor-
quellen. Dazwiſchen ſtehen falbe Federgrasſchöpfe
und Flechtengefilze. Einige zarte, ſchneeweiße Blüm-
lein wiegen ſich auch und blicken ängſtlich um ſich,
als hätten ſie ſich gar ſehr verirrt in die Felſenöde
herauf und möchten gerne wieder zurück. Von dem
einſt ſo ſchönen rothen Meere der Alpenroſen ſtehen
die ſpießigen Struppen des Strauches. Ich ſteige
weiter, umgehe einige Felswände und die Kuppe
des Kleinzahn, dann ſchreite ich einer Kante ent-
lang, die ſich gegen den Hauptgebirgsſtock hin-
zieht. Da habe ich die blendenden Felder der
Gletſcher vor mir, glatt, mildleuchtend wie Elfen-
bein, ſich hinlegend in weiten ſanften Lehnen und
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/160>, abgerufen am 21.11.2024.
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