Das Gartenbeetlein, das die Sennin im Sommer so sorgsam gepflegt hat, auf welchem lieblich und mild die hellen Blüten haben geflammt, wuchert jetzt wild, halbverdorrt, zernichtet. O, wie sehnsuchtsvoll wartet im jungen Frühling unser Auge auf die ersten Blumen des Gartens! Mit all unseren Mitteln stehen wir dem Beete bei in seinem Keimen; wie schützen wir es in seinem Grünen und Blühen, mit welch' stolzer Freude be- wundern wir sein hochzeitliches Prangen! -- Nun aber beginnt unsere Liebe für den Garten mälig zu erkühlen, wir reichen ihm nicht mehr unsere Hände. Allein prangt er weiter und wird eine wuchernde Wildniß von unsäglicher Schönheit. Aber umsonst -- des Menschen Gemüth ist satt geworden, und der Garten wuchert und verwuchert und verblaßt -- unverstanden und unbeklagt.
In meinem Gärtlein wachsen brennende Nesseln, und Hummeln summen darin. Ich sollt' wol irgendwen haben, der es bestellt! . . . . Geht hinweg, ihr bösen Geschichten! ein Narr könnt' Einer werden, wollt' man d'ran denken . . . .
Ich habe mich auf den Kopf des Wasser- troges gesetzt und mein Frühstück verzehrt. Das ist ein Stück Brotes aus Roggen- und Hafermehl ge- wesen, wie es hier allerwärts genossen wird. Das ist ein Essen, wie es -- buchstäblich -- den Gaumen
Das Gartenbeetlein, das die Sennin im Sommer ſo ſorgſam gepflegt hat, auf welchem lieblich und mild die hellen Blüten haben geflammt, wuchert jetzt wild, halbverdorrt, zernichtet. O, wie ſehnſuchtsvoll wartet im jungen Frühling unſer Auge auf die erſten Blumen des Gartens! Mit all unſeren Mitteln ſtehen wir dem Beete bei in ſeinem Keimen; wie ſchützen wir es in ſeinem Grünen und Blühen, mit welch’ ſtolzer Freude be- wundern wir ſein hochzeitliches Prangen! — Nun aber beginnt unſere Liebe für den Garten mälig zu erkühlen, wir reichen ihm nicht mehr unſere Hände. Allein prangt er weiter und wird eine wuchernde Wildniß von unſäglicher Schönheit. Aber umſonſt — des Menſchen Gemüth iſt ſatt geworden, und der Garten wuchert und verwuchert und verblaßt — unverſtanden und unbeklagt.
In meinem Gärtlein wachſen brennende Neſſeln, und Hummeln ſummen darin. Ich ſollt’ wol irgendwen haben, der es beſtellt! . . . . Geht hinweg, ihr böſen Geſchichten! ein Narr könnt’ Einer werden, wollt’ man d’ran denken . . . .
Ich habe mich auf den Kopf des Waſſer- troges geſetzt und mein Frühſtück verzehrt. Das iſt ein Stück Brotes aus Roggen- und Hafermehl ge- weſen, wie es hier allerwärts genoſſen wird. Das iſt ein Eſſen, wie es — buchſtäblich — den Gaumen
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Das Gartenbeetlein, das die Sennin im
Sommer ſo ſorgſam gepflegt hat, auf welchem
lieblich und mild die hellen Blüten haben geflammt,
wuchert jetzt wild, halbverdorrt, zernichtet. O, wie
ſehnſuchtsvoll wartet im jungen Frühling unſer
Auge auf die erſten Blumen des Gartens! Mit
all unſeren Mitteln ſtehen wir dem Beete bei in
ſeinem Keimen; wie ſchützen wir es in ſeinem
Grünen und Blühen, mit welch’ ſtolzer Freude be-
wundern wir ſein hochzeitliches Prangen! — Nun
aber beginnt unſere Liebe für den Garten mälig zu
erkühlen, wir reichen ihm nicht mehr unſere Hände.
Allein prangt er weiter und wird eine wuchernde
Wildniß von unſäglicher Schönheit. Aber umſonſt
— des Menſchen Gemüth iſt ſatt geworden, und
der Garten wuchert und verwuchert und verblaßt —
unverſtanden und unbeklagt.
In meinem Gärtlein wachſen brennende
Neſſeln, und Hummeln ſummen darin. Ich ſollt’
wol irgendwen haben, der es beſtellt! . . . . Geht
hinweg, ihr böſen Geſchichten! ein Narr könnt’
Einer werden, wollt’ man d’ran denken . . . .
Ich habe mich auf den Kopf des Waſſer-
troges geſetzt und mein Frühſtück verzehrt. Das iſt
ein Stück Brotes aus Roggen- und Hafermehl ge-
weſen, wie es hier allerwärts genoſſen wird. Das
iſt ein Eſſen, wie es — buchſtäblich — den Gaumen
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/159>, abgerufen am 21.11.2024.
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