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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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könnten mir nicht helfen, ich müsse warten, bis das
Wasser abgelaufen sei.

Bis so ein Gießwasser abläuft, das kann die
ganze Nacht währen. Ich wage es und wate durch
den Fluß. Aber als sie drüben diese meine Absicht
bemerkten, winkten sie mir warnend zu. Und bald
stemmte ein großer, hagerer, schwarzbärtiger Mann
eine Stange an und schwang sich mittelst derselben
zu mir herüber. Dann häufte er hart am Ufer einige
Steine übereinander und legte auf dieselben das
Brett, welches die Anderen über die Fluthen herüber-
schoben. Nun nahm er mich an der Hand und sagte:
"Nur fest anhalten!" dann führte er mich über das
schaukelnde Brett an das andere Ufer.

Während wir über dem Wasser schwebten, hub
das Aveglöcklein an zu klingen und die Leute zogen
ihre Hüte ab.

Der große schwarze Mann geleitete mich über
die knisternden Eiskörner zum Dörfchen hinan. "So
ist es;" brummte er unterwegs, "läßt der Herrgott
was aufwachsen, hauts der Teufel wieder in die
Erden hinein. Die Kohlpflanzen sind hin, bis auf
das letzte Stammel; und das letzte Stammel auch.
Der Hafer liegt auf dem Hintern und reckt seine
Knie gegen Himmel hinauf."

"Das Wetter hat so viel Schaden gethan?"
sagte ich.


könnten mir nicht helfen, ich müſſe warten, bis das
Waſſer abgelaufen ſei.

Bis ſo ein Gießwaſſer abläuft, das kann die
ganze Nacht währen. Ich wage es und wate durch
den Fluß. Aber als ſie drüben dieſe meine Abſicht
bemerkten, winkten ſie mir warnend zu. Und bald
ſtemmte ein großer, hagerer, ſchwarzbärtiger Mann
eine Stange an und ſchwang ſich mittelſt derſelben
zu mir herüber. Dann häufte er hart am Ufer einige
Steine übereinander und legte auf dieſelben das
Brett, welches die Anderen über die Fluthen herüber-
ſchoben. Nun nahm er mich an der Hand und ſagte:
„Nur feſt anhalten!“ dann führte er mich über das
ſchaukelnde Brett an das andere Ufer.

Während wir über dem Waſſer ſchwebten, hub
das Aveglöcklein an zu klingen und die Leute zogen
ihre Hüte ab.

Der große ſchwarze Mann geleitete mich über
die kniſternden Eiskörner zum Dörfchen hinan. „So
iſt es;“ brummte er unterwegs, „läßt der Herrgott
was aufwachſen, hauts der Teufel wieder in die
Erden hinein. Die Kohlpflanzen ſind hin, bis auf
das letzte Stammel; und das letzte Stammel auch.
Der Hafer liegt auf dem Hintern und reckt ſeine
Knie gegen Himmel hinauf.“

„Das Wetter hat ſo viel Schaden gethan?“
ſagte ich.


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[5/0015] könnten mir nicht helfen, ich müſſe warten, bis das Waſſer abgelaufen ſei. Bis ſo ein Gießwaſſer abläuft, das kann die ganze Nacht währen. Ich wage es und wate durch den Fluß. Aber als ſie drüben dieſe meine Abſicht bemerkten, winkten ſie mir warnend zu. Und bald ſtemmte ein großer, hagerer, ſchwarzbärtiger Mann eine Stange an und ſchwang ſich mittelſt derſelben zu mir herüber. Dann häufte er hart am Ufer einige Steine übereinander und legte auf dieſelben das Brett, welches die Anderen über die Fluthen herüber- ſchoben. Nun nahm er mich an der Hand und ſagte: „Nur feſt anhalten!“ dann führte er mich über das ſchaukelnde Brett an das andere Ufer. Während wir über dem Waſſer ſchwebten, hub das Aveglöcklein an zu klingen und die Leute zogen ihre Hüte ab. Der große ſchwarze Mann geleitete mich über die kniſternden Eiskörner zum Dörfchen hinan. „So iſt es;“ brummte er unterwegs, „läßt der Herrgott was aufwachſen, hauts der Teufel wieder in die Erden hinein. Die Kohlpflanzen ſind hin, bis auf das letzte Stammel; und das letzte Stammel auch. Der Hafer liegt auf dem Hintern und reckt ſeine Knie gegen Himmel hinauf.“ „Das Wetter hat ſo viel Schaden gethan?“ ſagte ich.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/15>, abgerufen am 23.11.2024.