"Mag sein, daß es eine Schurkerei gewesen," sagt der Mathes, "mag sein."
"Mag das sein, wie es will," ist meine Antwort, "ich kenne einen Mann, der hat nicht nur nicht für sein Land gestritten, sondern gegen dasselbe."
"Ich bin in meiner Heimat nicht verblieben," fährt der Mathes fort, "mein Eigenthum hab' ich im Stich gelassen, und hab' mich, daß sie mich nimmermehr finden, in diese hinterste Wildniß ver- krochen. -- Gehetzt, gehetzt, Herr Jesus! und in der Wildniß bin ich erst das wilde Thier geworden. Mein Weib, du weißt es."
Ein gellender Aufschrei war es gewesen; aber die Worte sind wie im Entschlummern gelallt. Er schweigt und schließt die Augen. Wie ein letztes Auflodern der Flamme und ein Verlöschen.
"Für einen Hascher haben ihn die Leut' ge- halten, da er ist zurückgekommen," setzt das Weib fort, "Groschen und Pfennige haben sie zusammen- geworfen in einen Hut und ihm denselbigen Hut wollen schenken. Dafür hätt' der Mathes bald ein par todtgeschlagen; er will nichts geschenkt haben. Wie ihn darauf die Leut' zu Dutzenden verfolgt, ist er auf einen Lärchbaum geklettert, hat sich von einem Wipfel auf den andern geschwungen, wie eine Waldkatz; und da haben die Leut' gesehen,
„Mag ſein, daß es eine Schurkerei geweſen,“ ſagt der Mathes, „mag ſein.“
„Mag das ſein, wie es will,“ iſt meine Antwort, „ich kenne einen Mann, der hat nicht nur nicht für ſein Land geſtritten, ſondern gegen dasſelbe.“
„Ich bin in meiner Heimat nicht verblieben,“ fährt der Mathes fort, „mein Eigenthum hab’ ich im Stich gelaſſen, und hab’ mich, daß ſie mich nimmermehr finden, in dieſe hinterſte Wildniß ver- krochen. — Gehetzt, gehetzt, Herr Jeſus! und in der Wildniß bin ich erſt das wilde Thier geworden. Mein Weib, du weißt es.“
Ein gellender Aufſchrei war es geweſen; aber die Worte ſind wie im Entſchlummern gelallt. Er ſchweigt und ſchließt die Augen. Wie ein letztes Auflodern der Flamme und ein Verlöſchen.
„Für einen Haſcher haben ihn die Leut’ ge- halten, da er iſt zurückgekommen,“ ſetzt das Weib fort, „Groſchen und Pfennige haben ſie zuſammen- geworfen in einen Hut und ihm denſelbigen Hut wollen ſchenken. Dafür hätt’ der Mathes bald ein par todtgeſchlagen; er will nichts geſchenkt haben. Wie ihn darauf die Leut’ zu Dutzenden verfolgt, iſt er auf einen Lärchbaum geklettert, hat ſich von einem Wipfel auf den andern geſchwungen, wie eine Waldkatz; und da haben die Leut’ geſehen,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0145"n="135"/><p>„Mag ſein, daß es eine Schurkerei geweſen,“<lb/>ſagt der Mathes, „mag ſein.“</p><lb/><p>„Mag das ſein, wie es will,“ iſt meine<lb/>
Antwort, „ich kenne einen Mann, der hat nicht<lb/>
nur nicht <hirendition="#g">für</hi>ſein Land geſtritten, ſondern <hirendition="#g">gegen</hi><lb/>
dasſelbe.“</p><lb/><p>„Ich bin in meiner Heimat nicht verblieben,“<lb/>
fährt der Mathes fort, „mein Eigenthum hab’ ich<lb/>
im Stich gelaſſen, und hab’ mich, daß ſie mich<lb/>
nimmermehr finden, in dieſe hinterſte Wildniß ver-<lb/>
krochen. — Gehetzt, gehetzt, Herr Jeſus! und in<lb/>
der Wildniß bin ich erſt das wilde Thier geworden.<lb/>
Mein Weib, du weißt es.“</p><lb/><p>Ein gellender Aufſchrei war es geweſen; aber<lb/>
die Worte ſind wie im Entſchlummern gelallt. Er<lb/>ſchweigt und ſchließt die Augen. Wie ein letztes<lb/>
Auflodern der Flamme und ein Verlöſchen.</p><lb/><p>„Für einen Haſcher haben ihn die Leut’ ge-<lb/>
halten, da er iſt zurückgekommen,“ſetzt das Weib<lb/>
fort, „Groſchen und Pfennige haben ſie zuſammen-<lb/>
geworfen in einen Hut und ihm denſelbigen Hut<lb/>
wollen ſchenken. Dafür hätt’ der Mathes bald ein<lb/>
par todtgeſchlagen; er will nichts geſchenkt haben.<lb/>
Wie ihn darauf die Leut’ zu Dutzenden verfolgt,<lb/>
iſt er auf einen Lärchbaum geklettert, hat ſich von<lb/>
einem Wipfel auf den andern geſchwungen, wie<lb/>
eine Waldkatz; und da haben die Leut’ geſehen,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[135/0145]
„Mag ſein, daß es eine Schurkerei geweſen,“
ſagt der Mathes, „mag ſein.“
„Mag das ſein, wie es will,“ iſt meine
Antwort, „ich kenne einen Mann, der hat nicht
nur nicht für ſein Land geſtritten, ſondern gegen
dasſelbe.“
„Ich bin in meiner Heimat nicht verblieben,“
fährt der Mathes fort, „mein Eigenthum hab’ ich
im Stich gelaſſen, und hab’ mich, daß ſie mich
nimmermehr finden, in dieſe hinterſte Wildniß ver-
krochen. — Gehetzt, gehetzt, Herr Jeſus! und in
der Wildniß bin ich erſt das wilde Thier geworden.
Mein Weib, du weißt es.“
Ein gellender Aufſchrei war es geweſen; aber
die Worte ſind wie im Entſchlummern gelallt. Er
ſchweigt und ſchließt die Augen. Wie ein letztes
Auflodern der Flamme und ein Verlöſchen.
„Für einen Haſcher haben ihn die Leut’ ge-
halten, da er iſt zurückgekommen,“ ſetzt das Weib
fort, „Groſchen und Pfennige haben ſie zuſammen-
geworfen in einen Hut und ihm denſelbigen Hut
wollen ſchenken. Dafür hätt’ der Mathes bald ein
par todtgeſchlagen; er will nichts geſchenkt haben.
Wie ihn darauf die Leut’ zu Dutzenden verfolgt,
iſt er auf einen Lärchbaum geklettert, hat ſich von
einem Wipfel auf den andern geſchwungen, wie
eine Waldkatz; und da haben die Leut’ geſehen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/145>, abgerufen am 27.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.