Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: "Jesus, Einspanig, wie weit denn noch?!"
"Bis heim, bis in unser Land, in unseren Wald, in das Winkel, in das Felsenthal. -- Ehr- same Frau, gibt euch Gott Flügel und ihr fliegt fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immer- fort, der Nase und der Sonne nach, so kommt ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen gegen euer friedsam Haus."
Darauf die Hauswirthin: "O du Fabelhans, fable wen Andern an, ich bin die Winkelhüterin. Die Milch schenk' ich euch und redlicher alter Leut' Wort dazu: Es ist ein Fleck, da ist die Welt mit Brettern verschlagen. So ist der alte Glauben und in dem will ich leben und sterben."
Der Mann soll darauf gesagt haben: "Weib, eueren alten Glauben hoch in Ehren! aber ich bin den Weg schon gegangen, gegen Niedergang hin, und von Aufgang her."
Und dieses Wort hätte das Weib vollends erbittert; "du bist eine Lugentafel!" soll sie gezet- tert haben, "auf dich hat der Teufel seinen Heimat- schein geschrieben!"
Und hierauf sei der Mann kopfschüttelnd davongezogen.
Das gute Weib muß schon schwer auf mich gewartet haben, um sich weiters Luft zu machen.
Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: „Jeſus, Einſpanig, wie weit denn noch?!“
„Bis heim, bis in unſer Land, in unſeren Wald, in das Winkel, in das Felſenthal. — Ehr- ſame Frau, gibt euch Gott Flügel und ihr fliegt fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immer- fort, der Naſe und der Sonne nach, ſo kommt ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen gegen euer friedſam Haus.“
Darauf die Hauswirthin: „O du Fabelhans, fable wen Andern an, ich bin die Winkelhüterin. Die Milch ſchenk’ ich euch und redlicher alter Leut’ Wort dazu: Es iſt ein Fleck, da iſt die Welt mit Brettern verſchlagen. So iſt der alte Glauben und in dem will ich leben und ſterben.“
Der Mann ſoll darauf geſagt haben: „Weib, eueren alten Glauben hoch in Ehren! aber ich bin den Weg ſchon gegangen, gegen Niedergang hin, und von Aufgang her.“
Und dieſes Wort hätte das Weib vollends erbittert; „du biſt eine Lugentafel!“ ſoll ſie gezet- tert haben, „auf dich hat der Teufel ſeinen Heimat- ſchein geſchrieben!“
Und hierauf ſei der Mann kopfſchüttelnd davongezogen.
Das gute Weib muß ſchon ſchwer auf mich gewartet haben, um ſich weiters Luft zu machen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0126"n="116"/><p>Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: „Jeſus,<lb/>
Einſpanig, wie weit denn noch?!“</p><lb/><p>„Bis heim, bis in unſer Land, in unſeren<lb/>
Wald, in das Winkel, in das Felſenthal. — Ehr-<lb/>ſame Frau, gibt euch Gott Flügel und ihr fliegt<lb/>
fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immer-<lb/>
fort, der Naſe und der Sonne nach, ſo kommt<lb/>
ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen<lb/>
gegen euer friedſam Haus.“</p><lb/><p>Darauf die Hauswirthin: „O du Fabelhans,<lb/>
fable wen Andern an, ich bin die Winkelhüterin.<lb/>
Die Milch ſchenk’ ich euch und redlicher alter Leut’<lb/>
Wort dazu: Es iſt ein Fleck, da iſt die Welt mit<lb/>
Brettern verſchlagen. So iſt der alte Glauben und<lb/>
in dem will ich leben und ſterben.“</p><lb/><p>Der Mann ſoll darauf geſagt haben: „Weib,<lb/>
eueren alten Glauben hoch in Ehren! aber ich bin<lb/>
den Weg ſchon gegangen, gegen Niedergang hin,<lb/>
und von Aufgang her.“</p><lb/><p>Und dieſes Wort hätte das Weib vollends<lb/>
erbittert; „du biſt eine Lugentafel!“ſoll ſie gezet-<lb/>
tert haben, „auf dich hat der Teufel ſeinen Heimat-<lb/>ſchein geſchrieben!“</p><lb/><p>Und hierauf ſei der Mann kopfſchüttelnd<lb/>
davongezogen.</p><lb/><p>Das gute Weib muß ſchon ſchwer auf mich<lb/>
gewartet haben, um ſich weiters Luft zu machen.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[116/0126]
Hat ihn die Haushälterin unterbrochen: „Jeſus,
Einſpanig, wie weit denn noch?!“
„Bis heim, bis in unſer Land, in unſeren
Wald, in das Winkel, in das Felſenthal. — Ehr-
ſame Frau, gibt euch Gott Flügel und ihr fliegt
fort gegen Sonnenuntergang, und fort und immer-
fort, der Naſe und der Sonne nach, ſo kommt
ihr eines Tages von Sonnenaufgang her geflogen
gegen euer friedſam Haus.“
Darauf die Hauswirthin: „O du Fabelhans,
fable wen Andern an, ich bin die Winkelhüterin.
Die Milch ſchenk’ ich euch und redlicher alter Leut’
Wort dazu: Es iſt ein Fleck, da iſt die Welt mit
Brettern verſchlagen. So iſt der alte Glauben und
in dem will ich leben und ſterben.“
Der Mann ſoll darauf geſagt haben: „Weib,
eueren alten Glauben hoch in Ehren! aber ich bin
den Weg ſchon gegangen, gegen Niedergang hin,
und von Aufgang her.“
Und dieſes Wort hätte das Weib vollends
erbittert; „du biſt eine Lugentafel!“ ſoll ſie gezet-
tert haben, „auf dich hat der Teufel ſeinen Heimat-
ſchein geſchrieben!“
Und hierauf ſei der Mann kopfſchüttelnd
davongezogen.
Das gute Weib muß ſchon ſchwer auf mich
gewartet haben, um ſich weiters Luft zu machen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/126>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.