den Wettermantel des Pechers, wenn er nicht am Leibe ist. Die Fenster haben kaum so viel Glas, daß, wie die Leut' sagen, der "Fresser" sich daran einmal hätte satt essen können. "Lappen und Strohpapier sind auch so gut, wie Spiegelscheiben, wenn Einer kein sauberes Gesicht durchgucken lassen kann," meint der Pecher. Wol, er weiß von Spie- gelscheiben was, der ist nicht allfort im Wald ge- wesen. Gar weit, weit in der Wienerstadt ist er wachgestanden vor Spiegelscheiben -- hat ihm nicht gefallen, ist durchgegangen, ist eingefangen worden, ist spießruthengelaufen, ist wieder durchgegangen und in die tiefste Wildniß herein, -- läßt sich nicht mehr fangen.
Hinter dem Schrank hängt das Schießgewehr. Tritt einmal der herrschaftliche Jäger in's Haus und sieht er's, so ist's gut -- eine Waffe muß sein, im Wald gibt es Wölfe. Sieht er's nicht, so ist's besser.
Bei des Pechers Hauswirthin ist's auch so; sieht man sie, so muß man bedenken, daß im vier- zigsten Jahr bei Niemandem ein neuer Frühling mehr anbricht, daß, wie das Sprichwort sagt, am Halse ein Kropf besser ist, als ein Loch, daß ein- äugig nicht blind, und daß ein wenig Säbelbeinig- keit weder Schande noch Prahlerei ist. Sieht man sie nicht, so ist's besser.
den Wettermantel des Pechers, wenn er nicht am Leibe iſt. Die Fenſter haben kaum ſo viel Glas, daß, wie die Leut’ ſagen, der „Freſſer“ ſich daran einmal hätte ſatt eſſen können. „Lappen und Strohpapier ſind auch ſo gut, wie Spiegelſcheiben, wenn Einer kein ſauberes Geſicht durchgucken laſſen kann,“ meint der Pecher. Wol, er weiß von Spie- gelſcheiben was, der iſt nicht allfort im Wald ge- weſen. Gar weit, weit in der Wienerſtadt iſt er wachgeſtanden vor Spiegelſcheiben — hat ihm nicht gefallen, iſt durchgegangen, iſt eingefangen worden, iſt ſpießruthengelaufen, iſt wieder durchgegangen und in die tiefſte Wildniß herein, — läßt ſich nicht mehr fangen.
Hinter dem Schrank hängt das Schießgewehr. Tritt einmal der herrſchaftliche Jäger in’s Haus und ſieht er’s, ſo iſt’s gut — eine Waffe muß ſein, im Wald gibt es Wölfe. Sieht er’s nicht, ſo iſt’s beſſer.
Bei des Pechers Hauswirthin iſt’s auch ſo; ſieht man ſie, ſo muß man bedenken, daß im vier- zigſten Jahr bei Niemandem ein neuer Frühling mehr anbricht, daß, wie das Sprichwort ſagt, am Halſe ein Kropf beſſer iſt, als ein Loch, daß ein- äugig nicht blind, und daß ein wenig Säbelbeinig- keit weder Schande noch Prahlerei iſt. Sieht man ſie nicht, ſo iſt’s beſſer.
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den Wettermantel des Pechers, wenn er nicht am
Leibe iſt. Die Fenſter haben kaum ſo viel Glas,
daß, wie die Leut’ ſagen, der „Freſſer“ ſich daran
einmal hätte ſatt eſſen können. „Lappen und
Strohpapier ſind auch ſo gut, wie Spiegelſcheiben,
wenn Einer kein ſauberes Geſicht durchgucken laſſen
kann,“ meint der Pecher. Wol, er weiß von Spie-
gelſcheiben was, der iſt nicht allfort im Wald ge-
weſen. Gar weit, weit in der Wienerſtadt iſt er
wachgeſtanden vor Spiegelſcheiben — hat ihm nicht
gefallen, iſt durchgegangen, iſt eingefangen worden,
iſt ſpießruthengelaufen, iſt wieder durchgegangen
und in die tiefſte Wildniß herein, — läßt ſich
nicht mehr fangen.
Hinter dem Schrank hängt das Schießgewehr.
Tritt einmal der herrſchaftliche Jäger in’s Haus
und ſieht er’s, ſo iſt’s gut — eine Waffe muß
ſein, im Wald gibt es Wölfe. Sieht er’s nicht,
ſo iſt’s beſſer.
Bei des Pechers Hauswirthin iſt’s auch ſo;
ſieht man ſie, ſo muß man bedenken, daß im vier-
zigſten Jahr bei Niemandem ein neuer Frühling
mehr anbricht, daß, wie das Sprichwort ſagt, am
Halſe ein Kropf beſſer iſt, als ein Loch, daß ein-
äugig nicht blind, und daß ein wenig Säbelbeinig-
keit weder Schande noch Prahlerei iſt. Sieht man
ſie nicht, ſo iſt’s beſſer.
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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/112>, abgerufen am 23.11.2024.
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