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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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"Seltsam und märchenhaft ist das ganze
Waldland," versetzt der blasse Mann, "besseren
Magen als unsereiner mag so ein Sohn der Wild-
niß schon haben. Und der Aberglauben ist dieser
Leute geistiges Leben."

Nach diesen Worten hat er sich gewendet und
ist emsig von hinnen gestolpert.

Wie, Alter, bist nicht auch du selber ein
Sohn der Wildniß? Bist wahrhaftig seltsam und
märchenhaft genug. -- Den Einspanig, den Ein-
samen nennen sie ihn, sonst wissen sie schier nichts
von ihm zu sagen.

Auch mit den Pechern hab ich schon Be-
kanntschaft gemacht. Der Pecher, das ist ein recht
wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn schon von
Weitem und man sieht ihn glitzern durch das
Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz
von den Bäumen schabt; die Steigeisen glitzern,
vermittelst welchen er an den glatten Stämmen
emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum
auch an seiner Höhe abzuernten, oder wenn keine
Ernte ist, zu verwunden, auf daß für künftig das
Harz hervorquelle. Und die Lederhose glitzert, und
der mit Pech völlig überzogene Lodenspenser glitzert,
und die Scheide des langen Messers an den Len-
den glitzert, und letztlich das schwarze Glutauge.
Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-

7*

„Seltſam und märchenhaft iſt das ganze
Waldland,“ verſetzt der blaſſe Mann, „beſſeren
Magen als unſereiner mag ſo ein Sohn der Wild-
niß ſchon haben. Und der Aberglauben iſt dieſer
Leute geiſtiges Leben.“

Nach dieſen Worten hat er ſich gewendet und
iſt emſig von hinnen geſtolpert.

Wie, Alter, biſt nicht auch du ſelber ein
Sohn der Wildniß? Biſt wahrhaftig ſeltſam und
märchenhaft genug. — Den Einſpanig, den Ein-
ſamen nennen ſie ihn, ſonſt wiſſen ſie ſchier nichts
von ihm zu ſagen.

Auch mit den Pechern hab ich ſchon Be-
kanntſchaft gemacht. Der Pecher, das iſt ein recht
wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn ſchon von
Weitem und man ſieht ihn glitzern durch das
Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz
von den Bäumen ſchabt; die Steigeiſen glitzern,
vermittelſt welchen er an den glatten Stämmen
emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum
auch an ſeiner Höhe abzuernten, oder wenn keine
Ernte iſt, zu verwunden, auf daß für künftig das
Harz hervorquelle. Und die Lederhoſe glitzert, und
der mit Pech völlig überzogene Lodenſpenſer glitzert,
und die Scheide des langen Meſſers an den Len-
den glitzert, und letztlich das ſchwarze Glutauge.
Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-

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[99/0109] „Seltſam und märchenhaft iſt das ganze Waldland,“ verſetzt der blaſſe Mann, „beſſeren Magen als unſereiner mag ſo ein Sohn der Wild- niß ſchon haben. Und der Aberglauben iſt dieſer Leute geiſtiges Leben.“ Nach dieſen Worten hat er ſich gewendet und iſt emſig von hinnen geſtolpert. Wie, Alter, biſt nicht auch du ſelber ein Sohn der Wildniß? Biſt wahrhaftig ſeltſam und märchenhaft genug. — Den Einſpanig, den Ein- ſamen nennen ſie ihn, ſonſt wiſſen ſie ſchier nichts von ihm zu ſagen. Auch mit den Pechern hab ich ſchon Be- kanntſchaft gemacht. Der Pecher, das iſt ein recht wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn ſchon von Weitem und man ſieht ihn glitzern durch das Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz von den Bäumen ſchabt; die Steigeiſen glitzern, vermittelſt welchen er an den glatten Stämmen emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum auch an ſeiner Höhe abzuernten, oder wenn keine Ernte iſt, zu verwunden, auf daß für künftig das Harz hervorquelle. Und die Lederhoſe glitzert, und der mit Pech völlig überzogene Lodenſpenſer glitzert, und die Scheide des langen Meſſers an den Len- den glitzert, und letztlich das ſchwarze Glutauge. Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen- 7*

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/109>, abgerufen am 27.11.2024.