"Seltsam und märchenhaft ist das ganze Waldland," versetzt der blasse Mann, "besseren Magen als unsereiner mag so ein Sohn der Wild- niß schon haben. Und der Aberglauben ist dieser Leute geistiges Leben."
Nach diesen Worten hat er sich gewendet und ist emsig von hinnen gestolpert.
Wie, Alter, bist nicht auch du selber ein Sohn der Wildniß? Bist wahrhaftig seltsam und märchenhaft genug. -- Den Einspanig, den Ein- samen nennen sie ihn, sonst wissen sie schier nichts von ihm zu sagen.
Auch mit den Pechern hab ich schon Be- kanntschaft gemacht. Der Pecher, das ist ein recht wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn schon von Weitem und man sieht ihn glitzern durch das Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz von den Bäumen schabt; die Steigeisen glitzern, vermittelst welchen er an den glatten Stämmen emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum auch an seiner Höhe abzuernten, oder wenn keine Ernte ist, zu verwunden, auf daß für künftig das Harz hervorquelle. Und die Lederhose glitzert, und der mit Pech völlig überzogene Lodenspenser glitzert, und die Scheide des langen Messers an den Len- den glitzert, und letztlich das schwarze Glutauge. Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-
7*
„Seltſam und märchenhaft iſt das ganze Waldland,“ verſetzt der blaſſe Mann, „beſſeren Magen als unſereiner mag ſo ein Sohn der Wild- niß ſchon haben. Und der Aberglauben iſt dieſer Leute geiſtiges Leben.“
Nach dieſen Worten hat er ſich gewendet und iſt emſig von hinnen geſtolpert.
Wie, Alter, biſt nicht auch du ſelber ein Sohn der Wildniß? Biſt wahrhaftig ſeltſam und märchenhaft genug. — Den Einſpanig, den Ein- ſamen nennen ſie ihn, ſonſt wiſſen ſie ſchier nichts von ihm zu ſagen.
Auch mit den Pechern hab ich ſchon Be- kanntſchaft gemacht. Der Pecher, das iſt ein recht wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn ſchon von Weitem und man ſieht ihn glitzern durch das Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz von den Bäumen ſchabt; die Steigeiſen glitzern, vermittelſt welchen er an den glatten Stämmen emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum auch an ſeiner Höhe abzuernten, oder wenn keine Ernte iſt, zu verwunden, auf daß für künftig das Harz hervorquelle. Und die Lederhoſe glitzert, und der mit Pech völlig überzogene Lodenſpenſer glitzert, und die Scheide des langen Meſſers an den Len- den glitzert, und letztlich das ſchwarze Glutauge. Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-
7*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0109"n="99"/><p>„Seltſam und märchenhaft iſt das ganze<lb/>
Waldland,“ verſetzt der blaſſe Mann, „beſſeren<lb/>
Magen als unſereiner mag ſo ein Sohn der Wild-<lb/>
niß ſchon haben. Und der Aberglauben iſt dieſer<lb/>
Leute geiſtiges Leben.“</p><lb/><p>Nach dieſen Worten hat er ſich gewendet und<lb/>
iſt emſig von hinnen geſtolpert.</p><lb/><p>Wie, Alter, biſt nicht auch du ſelber ein<lb/>
Sohn der Wildniß? Biſt wahrhaftig ſeltſam und<lb/>
märchenhaft genug. — Den Einſpanig, den Ein-<lb/>ſamen nennen ſie ihn, ſonſt wiſſen ſie ſchier nichts<lb/>
von ihm zu ſagen.</p><lb/><p>Auch mit den Pechern hab ich ſchon Be-<lb/>
kanntſchaft gemacht. Der Pecher, das iſt ein recht<lb/>
wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn ſchon von<lb/>
Weitem und man ſieht ihn glitzern durch das<lb/>
Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz<lb/>
von den Bäumen ſchabt; die Steigeiſen glitzern,<lb/>
vermittelſt welchen er an den glatten Stämmen<lb/>
emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum<lb/>
auch an ſeiner Höhe abzuernten, oder wenn keine<lb/>
Ernte iſt, zu verwunden, auf daß für künftig das<lb/>
Harz hervorquelle. Und die Lederhoſe glitzert, und<lb/>
der mit Pech völlig überzogene Lodenſpenſer glitzert,<lb/>
und die Scheide des langen Meſſers an den Len-<lb/>
den glitzert, und letztlich das ſchwarze Glutauge.<lb/>
Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">7*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[99/0109]
„Seltſam und märchenhaft iſt das ganze
Waldland,“ verſetzt der blaſſe Mann, „beſſeren
Magen als unſereiner mag ſo ein Sohn der Wild-
niß ſchon haben. Und der Aberglauben iſt dieſer
Leute geiſtiges Leben.“
Nach dieſen Worten hat er ſich gewendet und
iſt emſig von hinnen geſtolpert.
Wie, Alter, biſt nicht auch du ſelber ein
Sohn der Wildniß? Biſt wahrhaftig ſeltſam und
märchenhaft genug. — Den Einſpanig, den Ein-
ſamen nennen ſie ihn, ſonſt wiſſen ſie ſchier nichts
von ihm zu ſagen.
Auch mit den Pechern hab ich ſchon Be-
kanntſchaft gemacht. Der Pecher, das iſt ein recht
wunderlicher Waldteufel. Man riecht ihn ſchon von
Weitem und man ſieht ihn glitzern durch das
Dickicht. Die Hacke glitzert, mit der er das Harz
von den Bäumen ſchabt; die Steigeiſen glitzern,
vermittelſt welchen er an den glatten Stämmen
emporklettert, wie eine Waldkatze, um den Baum
auch an ſeiner Höhe abzuernten, oder wenn keine
Ernte iſt, zu verwunden, auf daß für künftig das
Harz hervorquelle. Und die Lederhoſe glitzert, und
der mit Pech völlig überzogene Lodenſpenſer glitzert,
und die Scheide des langen Meſſers an den Len-
den glitzert, und letztlich das ſchwarze Glutauge.
Wenn eine Blüthe oder eine niederfallende Tannen-
7*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/109>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.