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Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

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Wald- und Alpengegenden die vielen schweren Ge-
witter, weil dahier die Wettermacher daheim. Wie
sie es aber anfangen, diese Waldteufel, daß die
Nebel aufsteigen aus den Schründen und Wetter-
löchern, daß die Thaustäubchen zu Wasser verdich-
ten, daß die Tropfen zu Eiskörnern erstarren, daß
die Eiskörner zu schweren Schlossen sich kochen,
daß aus den Wolken das wilde Feuer sprüht, daß
die flammenden Wurfspieße der Blitze hinsausen
durch die Nacht und daß die ungeheueren Rollen
der Donner sich wälzen, bis endlich Alles nieder-
bricht zu den zitternden Menschen und Thieren der
Erde -- wie sie das anfangen, das soll ein tiefes
Geheimniß der wilden Gesellen sein; ich habe es
bislang nicht zu erfahren vermögen.

Eines ist gewiß. Der Bauer der vorderen
Gegenden hat Ehrfurcht vor den Wildlingen im
Gebirge und liefert ihnen die Lebensmittel gegen
geringes Entgelt; es ist doch allfort besser, im
Beutel kein Gewinn, als auf dem Felde Schaden.

Wahrhaftig, das ist ein fürchterlicher Wahn
dieser Menschen, daß sie durch eigenes Wollen und
eigene Kraft Dinge zu wirken vermeinen, von denen
die Schöpfung den menschlichen Witz ausgeschlossen
hat für immerdar; und daß sie dagegen Dinge
verabsäumen, in denen sie durch eigenes Wollen und
eigene Kraft Großes hervorzubringen vermöchten.


Wald- und Alpengegenden die vielen ſchweren Ge-
witter, weil dahier die Wettermacher daheim. Wie
ſie es aber anfangen, dieſe Waldteufel, daß die
Nebel aufſteigen aus den Schründen und Wetter-
löchern, daß die Thauſtäubchen zu Waſſer verdich-
ten, daß die Tropfen zu Eiskörnern erſtarren, daß
die Eiskörner zu ſchweren Schloſſen ſich kochen,
daß aus den Wolken das wilde Feuer ſprüht, daß
die flammenden Wurfſpieße der Blitze hinſauſen
durch die Nacht und daß die ungeheueren Rollen
der Donner ſich wälzen, bis endlich Alles nieder-
bricht zu den zitternden Menſchen und Thieren der
Erde — wie ſie das anfangen, das ſoll ein tiefes
Geheimniß der wilden Geſellen ſein; ich habe es
bislang nicht zu erfahren vermögen.

Eines iſt gewiß. Der Bauer der vorderen
Gegenden hat Ehrfurcht vor den Wildlingen im
Gebirge und liefert ihnen die Lebensmittel gegen
geringes Entgelt; es iſt doch allfort beſſer, im
Beutel kein Gewinn, als auf dem Felde Schaden.

Wahrhaftig, das iſt ein fürchterlicher Wahn
dieſer Menſchen, daß ſie durch eigenes Wollen und
eigene Kraft Dinge zu wirken vermeinen, von denen
die Schöpfung den menſchlichen Witz ausgeſchloſſen
hat für immerdar; und daß ſie dagegen Dinge
verabſäumen, in denen ſie durch eigenes Wollen und
eigene Kraft Großes hervorzubringen vermöchten.


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[94/0104] Wald- und Alpengegenden die vielen ſchweren Ge- witter, weil dahier die Wettermacher daheim. Wie ſie es aber anfangen, dieſe Waldteufel, daß die Nebel aufſteigen aus den Schründen und Wetter- löchern, daß die Thauſtäubchen zu Waſſer verdich- ten, daß die Tropfen zu Eiskörnern erſtarren, daß die Eiskörner zu ſchweren Schloſſen ſich kochen, daß aus den Wolken das wilde Feuer ſprüht, daß die flammenden Wurfſpieße der Blitze hinſauſen durch die Nacht und daß die ungeheueren Rollen der Donner ſich wälzen, bis endlich Alles nieder- bricht zu den zitternden Menſchen und Thieren der Erde — wie ſie das anfangen, das ſoll ein tiefes Geheimniß der wilden Geſellen ſein; ich habe es bislang nicht zu erfahren vermögen. Eines iſt gewiß. Der Bauer der vorderen Gegenden hat Ehrfurcht vor den Wildlingen im Gebirge und liefert ihnen die Lebensmittel gegen geringes Entgelt; es iſt doch allfort beſſer, im Beutel kein Gewinn, als auf dem Felde Schaden. Wahrhaftig, das iſt ein fürchterlicher Wahn dieſer Menſchen, daß ſie durch eigenes Wollen und eigene Kraft Dinge zu wirken vermeinen, von denen die Schöpfung den menſchlichen Witz ausgeſchloſſen hat für immerdar; und daß ſie dagegen Dinge verabſäumen, in denen ſie durch eigenes Wollen und eigene Kraft Großes hervorzubringen vermöchten.

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Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/104>, abgerufen am 27.11.2024.