N001 Während Herr von Humboldt an einer schick- N002 lichen Stelle seine Beobachtungen anstellte, untersuch- N003 ten Prof. Ehrenberg und ich die grossen Haufen N004 von Kalksteinblöcken, die am Ufer lagen, und von den N005 aus Baku kommenden Schiffern als Ballast mitgebracht N006 werden, daher uns für die Kenntniss der dort vorkom- N007 menden Gebirgsformationen von Wichtigkeit waren. N008 Der Kalkstein besteht fast nur aus grösseren und klei- N009 neren Muschelfragmenten, die ohne alles sichtbare Bin- N010 demittel mit einander verbunden sind. Die grösseren N011 Muschelfragmente gehören fast alle einem Cardium 1) N012 an, das stark gestreift und bis einen Zoll gross ist, N013 weniger häufig findet sich in dem Gemenge ein kleiner N014 Mytilus, durch Form und Grösse dem M. polymorphus N015 verwandt, ferner eine kleine Nativa und eine kleine N016 Melania, die sich nicht bestimmen liessen. Es ist of- N017 fenbar ein sehr neuer Kalkstein, wenn er nicht der N018 jetzigen Zeit angehört, da der Mytilus polymorphus in N019 dem kaspischen Meere lebt, und ihn Prof. Ehrenberg N020 namentlich an der Stelle, wo der Ballast lag, in vie- N021 len frischen eben ausgeworfenen Exemplaren sammelte. N022 Einen ähnlichen "mit Cardium- und Mytilus-Resten N023 erfüllten Kalkstein" beschreibt auch Eichwald bei N024 Baku; doch findet sich derselbe nicht allein hier N025 und auf der Halbinsel Abscheron, wo aus ihm die N026 Schlammvulkane hervorbrechen, sondern auch auf der N027 ganzen Küste, sowohl südlich bis zum Kur, als auch N028 nördlich bei Derbend und Tarki in grosser Verbrei¬ N029 tung 2).
N001 1) Nach der Untersuchung des Prof. Quenstedt ist das Car- N002 dium dem Cardium medium verwandt, die Seitenzähne sind ver- N003 schwunden, und dafür der Wirbelzahn um so deutlicher entwickelt, N004 die Rippen sind glatt und treten sehr hervor, bei den grösseren In- N005 dividuen ist jede derselben in der Mitte gespalten. Im hinteren Drit- N006 theil erhebt sich die Schale zu einem scharfen Kiele. N007 2 ) Vergl. Reise nach dem kaspischen Meere und dem Kaukasus N008 Th. I S. 425, 221, 135 etc. Auch Eichwald hält die noch jetzt
N001 Während Herr von Humboldt an einer schick- N002 lichen Stelle seine Beobachtungen anstellte, untersuch- N003 ten Prof. Ehrenberg und ich die grossen Haufen N004 von Kalksteinblöcken, die am Ufer lagen, und von den N005 aus Baku kommenden Schiffern als Ballast mitgebracht N006 werden, daher uns für die Kenntniss der dort vorkom- N007 menden Gebirgsformationen von Wichtigkeit waren. N008 Der Kalkstein besteht fast nur aus grösseren und klei- N009 neren Muschelfragmenten, die ohne alles sichtbare Bin- N010 demittel mit einander verbunden sind. Die grösseren N011 Muschelfragmente gehören fast alle einem Cardium 1) N012 an, das stark gestreift und bis einen Zoll gross ist, N013 weniger häufig findet sich in dem Gemenge ein kleiner N014 Mytilus, durch Form und Grösse dem M. polymorphus N015 verwandt, ferner eine kleine Nativa und eine kleine N016 Melania, die sich nicht bestimmen liessen. Es ist of- N017 fenbar ein sehr neuer Kalkstein, wenn er nicht der N018 jetzigen Zeit angehört, da der Mytilus polymorphus in N019 dem kaspischen Meere lebt, und ihn Prof. Ehrenberg N020 namentlich an der Stelle, wo der Ballast lag, in vie- N021 len frischen eben ausgeworfenen Exemplaren sammelte. N022 Einen ähnlichen „mit Cardium- und Mytilus-Resten N023 erfüllten Kalkstein” beschreibt auch Eichwald bei N024 Baku; doch findet sich derselbe nicht allein hier N025 und auf der Halbinsel Abscheron, wo aus ihm die N026 Schlammvulkane hervorbrechen, sondern auch auf der N027 ganzen Küste, sowohl südlich bis zum Kur, als auch N028 nördlich bei Derbend und Tarki in grosser Verbrei¬ N029 tung 2).
N001 1) Nach der Untersuchung des Prof. Quenstedt ist das Car- N002 dium dem Cardium medium verwandt, die Seitenzähne sind ver- N003 schwunden, und dafür der Wirbelzahn um so deutlicher entwickelt, N004 die Rippen sind glatt und treten sehr hervor, bei den grösseren In- N005 dividuen ist jede derselben in der Mitte gespalten. Im hinteren Drit- N006 theil erhebt sich die Schale zu einem scharfen Kiele. N007 2 ) Vergl. Reise nach dem kaspischen Meere und dem Kaukasus N008 Th. I S. 425, 221, 135 etc. Auch Eichwald hält die noch jetzt
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Während Herr von Humboldt an einer schick- N002
lichen Stelle seine Beobachtungen anstellte, untersuch- N003
ten Prof. Ehrenberg und ich die grossen Haufen N004
von Kalksteinblöcken, die am Ufer lagen, und von den N005
aus Baku kommenden Schiffern als Ballast mitgebracht N006
werden, daher uns für die Kenntniss der dort vorkom- N007
menden Gebirgsformationen von Wichtigkeit waren. N008
Der Kalkstein besteht fast nur aus grösseren und klei- N009
neren Muschelfragmenten, die ohne alles sichtbare Bin- N010
demittel mit einander verbunden sind. Die grösseren N011
Muschelfragmente gehören fast alle einem Cardium 1) N012
an, das stark gestreift und bis einen Zoll gross ist, N013
weniger häufig findet sich in dem Gemenge ein kleiner N014
Mytilus, durch Form und Grösse dem M. polymorphus N015
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Melania, die sich nicht bestimmen liessen. Es ist of- N017
fenbar ein sehr neuer Kalkstein, wenn er nicht der N018
jetzigen Zeit angehört, da der Mytilus polymorphus in N019
dem kaspischen Meere lebt, und ihn Prof. Ehrenberg N020
namentlich an der Stelle, wo der Ballast lag, in vie- N021
len frischen eben ausgeworfenen Exemplaren sammelte. N022
Einen ähnlichen „mit Cardium- und Mytilus-Resten N023
erfüllten Kalkstein” beschreibt auch Eichwald bei N024
Baku; doch findet sich derselbe nicht allein hier N025
und auf der Halbinsel Abscheron, wo aus ihm die N026
Schlammvulkane hervorbrechen, sondern auch auf der N027
ganzen Küste, sowohl südlich bis zum Kur, als auch N028
nördlich bei Derbend und Tarki in grosser Verbrei¬ N029
tung 2).
N001
1) Nach der Untersuchung des Prof. Quenstedt ist das Car- N002
dium dem Cardium medium verwandt, die Seitenzähne sind ver- N003
schwunden, und dafür der Wirbelzahn um so deutlicher entwickelt, N004
die Rippen sind glatt und treten sehr hervor, bei den grösseren In- N005
dividuen ist jede derselben in der Mitte gespalten. Im hinteren Drit- N006
theil erhebt sich die Schale zu einem scharfen Kiele. N007
2 ) Vergl. Reise nach dem kaspischen Meere und dem Kaukasus N008
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Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural02_1842/329>, abgerufen am 24.11.2024.
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