Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.aussehen, daß wir hier verschiedene Wege einschlagen würden. Sie aber trennen den Ihrigen sofort von dem meinen, um in der Stille einen Roman anzuspinnen! Victor, es ist zu Ihrem eigenen Besten, wenn ich Sie warne, mit den hiesigen Verhältnissen nicht zu spielen. Was Sie in Berlin vielleicht ungestraft thun dürften, könnte Ihnen, als einem Fremden, hier die größten Unannehmlichkeiten bereiten. Victor lächelte höhnisch. Ich danke Ihnen für dir väterliche Ermahnung, sagte er. Doch bitte ich, sparen Sie dergleichen für Ihren Knaben, wenn er anfängt, seine eigenen Wege zu zehen. Inzwischen bewahren Sie Ihre eigene Romanrolle, und seien Sie ohne Sorge um die meinige. Dieser Ton verdroß mich immer mehr. Ich war jung und konnte einer Erregung auch nicht leicht gebieten. Mit unverhehltem Spott rief ich daher: Nun, der Ausgang der ersten Scene hat mir gezeigt, daß die Schlangenkönigin Waffen hat, sich zu schützen. Dabei zeigte ich auf die Schwelle, über welche Mariens kleine Schlange sich eben in das Haus hinein ringelte. Victor sprang auf und schien die Laube verlassen zu wollen. Plötzlich aber blieb er stehen und sagte mit veränderter Stimme: Ernst, es thut mir leid, daß wir uns trennen müssen. Wollen Sie nach Berlin zurückreisen? -- Ich glaube nicht. Nur das Haus Ihres Freundes, des Schullehrers, kann ich nicht mehr mit Ihnen theilen. aussehen, daß wir hier verschiedene Wege einschlagen würden. Sie aber trennen den Ihrigen sofort von dem meinen, um in der Stille einen Roman anzuspinnen! Victor, es ist zu Ihrem eigenen Besten, wenn ich Sie warne, mit den hiesigen Verhältnissen nicht zu spielen. Was Sie in Berlin vielleicht ungestraft thun dürften, könnte Ihnen, als einem Fremden, hier die größten Unannehmlichkeiten bereiten. Victor lächelte höhnisch. Ich danke Ihnen für dir väterliche Ermahnung, sagte er. Doch bitte ich, sparen Sie dergleichen für Ihren Knaben, wenn er anfängt, seine eigenen Wege zu zehen. Inzwischen bewahren Sie Ihre eigene Romanrolle, und seien Sie ohne Sorge um die meinige. Dieser Ton verdroß mich immer mehr. Ich war jung und konnte einer Erregung auch nicht leicht gebieten. Mit unverhehltem Spott rief ich daher: Nun, der Ausgang der ersten Scene hat mir gezeigt, daß die Schlangenkönigin Waffen hat, sich zu schützen. Dabei zeigte ich auf die Schwelle, über welche Mariens kleine Schlange sich eben in das Haus hinein ringelte. Victor sprang auf und schien die Laube verlassen zu wollen. Plötzlich aber blieb er stehen und sagte mit veränderter Stimme: Ernst, es thut mir leid, daß wir uns trennen müssen. Wollen Sie nach Berlin zurückreisen? — Ich glaube nicht. Nur das Haus Ihres Freundes, des Schullehrers, kann ich nicht mehr mit Ihnen theilen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0065"/> aussehen, daß wir hier verschiedene Wege einschlagen würden. Sie aber trennen den Ihrigen sofort von dem meinen, um in der Stille einen Roman anzuspinnen! Victor, es ist zu Ihrem eigenen Besten, wenn ich Sie warne, mit den hiesigen Verhältnissen nicht zu spielen. Was Sie in Berlin vielleicht ungestraft thun dürften, könnte Ihnen, als einem Fremden, hier die größten Unannehmlichkeiten bereiten.</p><lb/> <p>Victor lächelte höhnisch. Ich danke Ihnen für dir väterliche Ermahnung, sagte er. Doch bitte ich, sparen Sie dergleichen für Ihren Knaben, wenn er anfängt, seine eigenen Wege zu zehen. Inzwischen bewahren Sie Ihre eigene Romanrolle, und seien Sie ohne Sorge um die meinige.</p><lb/> <p>Dieser Ton verdroß mich immer mehr. Ich war jung und konnte einer Erregung auch nicht leicht gebieten. Mit unverhehltem Spott rief ich daher: Nun, der Ausgang der ersten Scene hat mir gezeigt, daß die Schlangenkönigin Waffen hat, sich zu schützen. Dabei zeigte ich auf die Schwelle, über welche Mariens kleine Schlange sich eben in das Haus hinein ringelte. Victor sprang auf und schien die Laube verlassen zu wollen. Plötzlich aber blieb er stehen und sagte mit veränderter Stimme: Ernst, es thut mir leid, daß wir uns trennen müssen.</p><lb/> <p>Wollen Sie nach Berlin zurückreisen? — Ich glaube nicht. Nur das Haus Ihres Freundes, des Schullehrers, kann ich nicht mehr mit Ihnen theilen.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
aussehen, daß wir hier verschiedene Wege einschlagen würden. Sie aber trennen den Ihrigen sofort von dem meinen, um in der Stille einen Roman anzuspinnen! Victor, es ist zu Ihrem eigenen Besten, wenn ich Sie warne, mit den hiesigen Verhältnissen nicht zu spielen. Was Sie in Berlin vielleicht ungestraft thun dürften, könnte Ihnen, als einem Fremden, hier die größten Unannehmlichkeiten bereiten.
Victor lächelte höhnisch. Ich danke Ihnen für dir väterliche Ermahnung, sagte er. Doch bitte ich, sparen Sie dergleichen für Ihren Knaben, wenn er anfängt, seine eigenen Wege zu zehen. Inzwischen bewahren Sie Ihre eigene Romanrolle, und seien Sie ohne Sorge um die meinige.
Dieser Ton verdroß mich immer mehr. Ich war jung und konnte einer Erregung auch nicht leicht gebieten. Mit unverhehltem Spott rief ich daher: Nun, der Ausgang der ersten Scene hat mir gezeigt, daß die Schlangenkönigin Waffen hat, sich zu schützen. Dabei zeigte ich auf die Schwelle, über welche Mariens kleine Schlange sich eben in das Haus hinein ringelte. Victor sprang auf und schien die Laube verlassen zu wollen. Plötzlich aber blieb er stehen und sagte mit veränderter Stimme: Ernst, es thut mir leid, daß wir uns trennen müssen.
Wollen Sie nach Berlin zurückreisen? — Ich glaube nicht. Nur das Haus Ihres Freundes, des Schullehrers, kann ich nicht mehr mit Ihnen theilen.
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/65>, abgerufen am 16.02.2025. |