Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gebüsch blicken und schnell wieder verschwinden. Zugleich aber mußte ich mich in meinem Versteck ertappt sehen, denn Marie, welche ihren Lauf nach der Hausthür genommen hatte, stand vor mir. Sie prallte zurück vor Schreck, eine dunkle Nöthe übergoß ihr Gesicht. Ich hatte mich erhoben, um mir den Anschein zu geben, als träte ich eben erst in den Garten, und sprach eine Begrüßung aus. Aber die Worte stockten mir auf der Zunge bei der plötzlichen Veränderung, die ich in Mariens Zügen wahrnahm. Wie ein Schmerz zuckte es durch ihr Antlitz, die Thränen stürzten ihr aus den Augen. Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und eilte davon, durch den Hof und um das Haus herum. Befremdet über diese Erscheinung folgte ich ihr ein Paar Schritte. Victor kam auf mich zu. Sie sind ohne Zweifel schon eine Weile hier, sagte er kalt. Ich hörte Ihr unzeitiges Lachen. -- Fühlte ich mich auch in Betreff meines Lauschens schuldbewußt, so mißfiel mir doch Victor's Ton. Sie haben mein Lachen nicht oft genug gehört, sagte ich, um es unterscheiden zu können, hätten aber doch bemerken sollen, daß es nicht meine Stimme war, und daß der Ton von einer andern Seite kam. Die Scene hatte also noch einen zweiten Beobachter. Victor zuckte ungläubig die Achseln. Wenn Sie hier auf der Lauer gelegen, fuhr er wegwerfend fort, so haben Sie wenigstens über Ihre eigene Person sehr viel Vortheilhaftes gehört. -- Es thut mir leid, irgend Gebüsch blicken und schnell wieder verschwinden. Zugleich aber mußte ich mich in meinem Versteck ertappt sehen, denn Marie, welche ihren Lauf nach der Hausthür genommen hatte, stand vor mir. Sie prallte zurück vor Schreck, eine dunkle Nöthe übergoß ihr Gesicht. Ich hatte mich erhoben, um mir den Anschein zu geben, als träte ich eben erst in den Garten, und sprach eine Begrüßung aus. Aber die Worte stockten mir auf der Zunge bei der plötzlichen Veränderung, die ich in Mariens Zügen wahrnahm. Wie ein Schmerz zuckte es durch ihr Antlitz, die Thränen stürzten ihr aus den Augen. Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und eilte davon, durch den Hof und um das Haus herum. Befremdet über diese Erscheinung folgte ich ihr ein Paar Schritte. Victor kam auf mich zu. Sie sind ohne Zweifel schon eine Weile hier, sagte er kalt. Ich hörte Ihr unzeitiges Lachen. — Fühlte ich mich auch in Betreff meines Lauschens schuldbewußt, so mißfiel mir doch Victor's Ton. Sie haben mein Lachen nicht oft genug gehört, sagte ich, um es unterscheiden zu können, hätten aber doch bemerken sollen, daß es nicht meine Stimme war, und daß der Ton von einer andern Seite kam. Die Scene hatte also noch einen zweiten Beobachter. Victor zuckte ungläubig die Achseln. Wenn Sie hier auf der Lauer gelegen, fuhr er wegwerfend fort, so haben Sie wenigstens über Ihre eigene Person sehr viel Vortheilhaftes gehört. — Es thut mir leid, irgend <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0063"/> Gebüsch blicken und schnell wieder verschwinden. Zugleich aber mußte ich mich in meinem Versteck ertappt sehen, denn Marie, welche ihren Lauf nach der Hausthür genommen hatte, stand vor mir. Sie prallte zurück vor Schreck, eine dunkle Nöthe übergoß ihr Gesicht. Ich hatte mich erhoben, um mir den Anschein zu geben, als träte ich eben erst in den Garten, und sprach eine Begrüßung aus. Aber die Worte stockten mir auf der Zunge bei der plötzlichen Veränderung, die ich in Mariens Zügen wahrnahm. Wie ein Schmerz zuckte es durch ihr Antlitz, die Thränen stürzten ihr aus den Augen. Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und eilte davon, durch den Hof und um das Haus herum. Befremdet über diese Erscheinung folgte ich ihr ein Paar Schritte. Victor kam auf mich zu.</p><lb/> <p>Sie sind ohne Zweifel schon eine Weile hier, sagte er kalt. Ich hörte Ihr unzeitiges Lachen. — Fühlte ich mich auch in Betreff meines Lauschens schuldbewußt, so mißfiel mir doch Victor's Ton. Sie haben mein Lachen nicht oft genug gehört, sagte ich, um es unterscheiden zu können, hätten aber doch bemerken sollen, daß es nicht meine Stimme war, und daß der Ton von einer andern Seite kam. Die Scene hatte also noch einen zweiten Beobachter.</p><lb/> <p>Victor zuckte ungläubig die Achseln. Wenn Sie hier auf der Lauer gelegen, fuhr er wegwerfend fort, so haben Sie wenigstens über Ihre eigene Person sehr viel Vortheilhaftes gehört. — Es thut mir leid, irgend<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Gebüsch blicken und schnell wieder verschwinden. Zugleich aber mußte ich mich in meinem Versteck ertappt sehen, denn Marie, welche ihren Lauf nach der Hausthür genommen hatte, stand vor mir. Sie prallte zurück vor Schreck, eine dunkle Nöthe übergoß ihr Gesicht. Ich hatte mich erhoben, um mir den Anschein zu geben, als träte ich eben erst in den Garten, und sprach eine Begrüßung aus. Aber die Worte stockten mir auf der Zunge bei der plötzlichen Veränderung, die ich in Mariens Zügen wahrnahm. Wie ein Schmerz zuckte es durch ihr Antlitz, die Thränen stürzten ihr aus den Augen. Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und eilte davon, durch den Hof und um das Haus herum. Befremdet über diese Erscheinung folgte ich ihr ein Paar Schritte. Victor kam auf mich zu.
Sie sind ohne Zweifel schon eine Weile hier, sagte er kalt. Ich hörte Ihr unzeitiges Lachen. — Fühlte ich mich auch in Betreff meines Lauschens schuldbewußt, so mißfiel mir doch Victor's Ton. Sie haben mein Lachen nicht oft genug gehört, sagte ich, um es unterscheiden zu können, hätten aber doch bemerken sollen, daß es nicht meine Stimme war, und daß der Ton von einer andern Seite kam. Die Scene hatte also noch einen zweiten Beobachter.
Victor zuckte ungläubig die Achseln. Wenn Sie hier auf der Lauer gelegen, fuhr er wegwerfend fort, so haben Sie wenigstens über Ihre eigene Person sehr viel Vortheilhaftes gehört. — Es thut mir leid, irgend
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/63>, abgerufen am 21.07.2024. |