Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gesehen. Sie trug einen Kranz von solchen Blumen, wie ich hier eine in der Hand halte, und um sie her tanzten lustige Kobolde im Wasser. Marie richtete ihre Augen groß und erstaunt auf ihn. Dann wendete sie sich schnell nach mir um und fragte in ernstem Tone: Der Herr war zu Nacht bei der alten Hexe wohl ganz krank vor Furcht, daß er solche Träume hatte? -- Ihr Ernst war sehr komisch und bewirkte, daß wir Alle zu lachen anfingen. Sie selbst aber wurde von diesem Augenblick an schweigsam, bis wir nach Leipe kamen. Victor drang darauf, die Familie bis zur Lindenkaupe, dem Wohnort Koal's, zu begleiten, musste aber gute Miene zu unserer Weigerung machen und stieg in unsern Kahn herüber. Wir gaben Koal das Versprechen, ihn bald zu besuchen, und unsere Kähne trennten sich. Jene steuerten dem Walde entgegen, wir aber fuhren in die Kanäle des malerisch gelegenen Dorfes Leipe ein. 5. Kascha. Die alte Kascha, die treue Pflegerin meiner Kindheit, sah uns ans Ufer steigen und lief mit entgegen. In ihrer Freude fiel sie mir um den Hals, erschrak aber über ihre Freiheit und bat mich um Verzeihung. Dann stürzten ihr die Thränen aus den Augen, denn gesehen. Sie trug einen Kranz von solchen Blumen, wie ich hier eine in der Hand halte, und um sie her tanzten lustige Kobolde im Wasser. Marie richtete ihre Augen groß und erstaunt auf ihn. Dann wendete sie sich schnell nach mir um und fragte in ernstem Tone: Der Herr war zu Nacht bei der alten Hexe wohl ganz krank vor Furcht, daß er solche Träume hatte? — Ihr Ernst war sehr komisch und bewirkte, daß wir Alle zu lachen anfingen. Sie selbst aber wurde von diesem Augenblick an schweigsam, bis wir nach Leipe kamen. Victor drang darauf, die Familie bis zur Lindenkaupe, dem Wohnort Koal's, zu begleiten, musste aber gute Miene zu unserer Weigerung machen und stieg in unsern Kahn herüber. Wir gaben Koal das Versprechen, ihn bald zu besuchen, und unsere Kähne trennten sich. Jene steuerten dem Walde entgegen, wir aber fuhren in die Kanäle des malerisch gelegenen Dorfes Leipe ein. 5. Kascha. Die alte Kascha, die treue Pflegerin meiner Kindheit, sah uns ans Ufer steigen und lief mit entgegen. In ihrer Freude fiel sie mir um den Hals, erschrak aber über ihre Freiheit und bat mich um Verzeihung. Dann stürzten ihr die Thränen aus den Augen, denn <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0047"/> gesehen. Sie trug einen Kranz von solchen Blumen, wie ich hier eine in der Hand halte, und um sie her tanzten lustige Kobolde im Wasser.</p><lb/> <p>Marie richtete ihre Augen groß und erstaunt auf ihn. Dann wendete sie sich schnell nach mir um und fragte in ernstem Tone: Der Herr war zu Nacht bei der alten Hexe wohl ganz krank vor Furcht, daß er solche Träume hatte? — Ihr Ernst war sehr komisch und bewirkte, daß wir Alle zu lachen anfingen. Sie selbst aber wurde von diesem Augenblick an schweigsam, bis wir nach Leipe kamen. Victor drang darauf, die Familie bis zur Lindenkaupe, dem Wohnort Koal's, zu begleiten, musste aber gute Miene zu unserer Weigerung machen und stieg in unsern Kahn herüber. Wir gaben Koal das Versprechen, ihn bald zu besuchen, und unsere Kähne trennten sich. Jene steuerten dem Walde entgegen, wir aber fuhren in die Kanäle des malerisch gelegenen Dorfes Leipe ein.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="5"> <head>5. Kascha.</head> <p>Die alte Kascha, die treue Pflegerin meiner Kindheit, sah uns ans Ufer steigen und lief mit entgegen. In ihrer Freude fiel sie mir um den Hals, erschrak aber über ihre Freiheit und bat mich um Verzeihung. Dann stürzten ihr die Thränen aus den Augen, denn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
gesehen. Sie trug einen Kranz von solchen Blumen, wie ich hier eine in der Hand halte, und um sie her tanzten lustige Kobolde im Wasser.
Marie richtete ihre Augen groß und erstaunt auf ihn. Dann wendete sie sich schnell nach mir um und fragte in ernstem Tone: Der Herr war zu Nacht bei der alten Hexe wohl ganz krank vor Furcht, daß er solche Träume hatte? — Ihr Ernst war sehr komisch und bewirkte, daß wir Alle zu lachen anfingen. Sie selbst aber wurde von diesem Augenblick an schweigsam, bis wir nach Leipe kamen. Victor drang darauf, die Familie bis zur Lindenkaupe, dem Wohnort Koal's, zu begleiten, musste aber gute Miene zu unserer Weigerung machen und stieg in unsern Kahn herüber. Wir gaben Koal das Versprechen, ihn bald zu besuchen, und unsere Kähne trennten sich. Jene steuerten dem Walde entgegen, wir aber fuhren in die Kanäle des malerisch gelegenen Dorfes Leipe ein.
5. Kascha. Die alte Kascha, die treue Pflegerin meiner Kindheit, sah uns ans Ufer steigen und lief mit entgegen. In ihrer Freude fiel sie mir um den Hals, erschrak aber über ihre Freiheit und bat mich um Verzeihung. Dann stürzten ihr die Thränen aus den Augen, denn
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/47>, abgerufen am 20.07.2024. |