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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Stuhle am Feuer sitzen. Bei jedem Knistern, und es knisterte wirklich sehr viel im Zimmer, sah er sich scheu um und legte ein neues Scheit auf den Herd. Endlich verschwamm mir sein Bild, und ich schlief ein.

Als ich erwachte, verglommen noch die letzten Kohlen. Es war halb dunkel im Zimmer, aber draußen sah ich hoch durch die Wipfel das Morgengold blitzen. Victor saß noch immer vor dem Herde, aber der Kopf war auf die Brust gesunken; er schlief in einer Stellung, die ihn bei der nächsten Bewegung zu Boden werfen mußte. Ich faßte ihn am Arme. Erschreckt fuhr er vom Schlafe auf. Gott sei Dank! rief er, es ist Morgen! Ich glaube, vor einer Stunde wachte ich noch! Sind auch keine Schlangen mehr da? -- Sardok, durch unsere Reden erweckt, erhob sich vom Lager und lachte uns grinsend und halb verschlafen an. Er hinkte zum Herde und erweckte das Feuer durch trockenes Reisig. Zarna trat ein. -- Ho! das nenn' ich muntere Jungen! rief sie. Nun sollt ihr was Besseres haben, als gestern, und hernach mag Sardok euch auf den Weg bringen.

Die Aussicht auf ein warmes Frühstück war uns sehr willkommen, denn wir fühlten uns von der ungewohnten Nacht und der Morgenkühle durchschauert. Trotzdem glühten mir die Augen, und wir gingen hinaus, um das Gesicht mit dem Wasser des Grabens anzufrischen. Jetzt erst sahen wir, wo wir uns befanden. Ein wahrer Urwald umgab das schwarze, gebrech-

Stuhle am Feuer sitzen. Bei jedem Knistern, und es knisterte wirklich sehr viel im Zimmer, sah er sich scheu um und legte ein neues Scheit auf den Herd. Endlich verschwamm mir sein Bild, und ich schlief ein.

Als ich erwachte, verglommen noch die letzten Kohlen. Es war halb dunkel im Zimmer, aber draußen sah ich hoch durch die Wipfel das Morgengold blitzen. Victor saß noch immer vor dem Herde, aber der Kopf war auf die Brust gesunken; er schlief in einer Stellung, die ihn bei der nächsten Bewegung zu Boden werfen mußte. Ich faßte ihn am Arme. Erschreckt fuhr er vom Schlafe auf. Gott sei Dank! rief er, es ist Morgen! Ich glaube, vor einer Stunde wachte ich noch! Sind auch keine Schlangen mehr da? — Sardok, durch unsere Reden erweckt, erhob sich vom Lager und lachte uns grinsend und halb verschlafen an. Er hinkte zum Herde und erweckte das Feuer durch trockenes Reisig. Zarna trat ein. — Ho! das nenn' ich muntere Jungen! rief sie. Nun sollt ihr was Besseres haben, als gestern, und hernach mag Sardok euch auf den Weg bringen.

Die Aussicht auf ein warmes Frühstück war uns sehr willkommen, denn wir fühlten uns von der ungewohnten Nacht und der Morgenkühle durchschauert. Trotzdem glühten mir die Augen, und wir gingen hinaus, um das Gesicht mit dem Wasser des Grabens anzufrischen. Jetzt erst sahen wir, wo wir uns befanden. Ein wahrer Urwald umgab das schwarze, gebrech-

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[0032] Stuhle am Feuer sitzen. Bei jedem Knistern, und es knisterte wirklich sehr viel im Zimmer, sah er sich scheu um und legte ein neues Scheit auf den Herd. Endlich verschwamm mir sein Bild, und ich schlief ein. Als ich erwachte, verglommen noch die letzten Kohlen. Es war halb dunkel im Zimmer, aber draußen sah ich hoch durch die Wipfel das Morgengold blitzen. Victor saß noch immer vor dem Herde, aber der Kopf war auf die Brust gesunken; er schlief in einer Stellung, die ihn bei der nächsten Bewegung zu Boden werfen mußte. Ich faßte ihn am Arme. Erschreckt fuhr er vom Schlafe auf. Gott sei Dank! rief er, es ist Morgen! Ich glaube, vor einer Stunde wachte ich noch! Sind auch keine Schlangen mehr da? — Sardok, durch unsere Reden erweckt, erhob sich vom Lager und lachte uns grinsend und halb verschlafen an. Er hinkte zum Herde und erweckte das Feuer durch trockenes Reisig. Zarna trat ein. — Ho! das nenn' ich muntere Jungen! rief sie. Nun sollt ihr was Besseres haben, als gestern, und hernach mag Sardok euch auf den Weg bringen. Die Aussicht auf ein warmes Frühstück war uns sehr willkommen, denn wir fühlten uns von der ungewohnten Nacht und der Morgenkühle durchschauert. Trotzdem glühten mir die Augen, und wir gingen hinaus, um das Gesicht mit dem Wasser des Grabens anzufrischen. Jetzt erst sahen wir, wo wir uns befanden. Ein wahrer Urwald umgab das schwarze, gebrech-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/32>, abgerufen am 24.11.2024.