§. 6. Hierbey fragt sichs, ob man wohl befugt sey, einem Landes-Fürsten, wenn er die- jenigen Fundamental-Gesetze, die er mit den Unterthanen Contracts-Weise aufgerichtet, violiret, zu widerstehen. Es ist bekannt, daß derjenige, so der von GOtt eingesetzten Obrig- keit widerstrebet, widerstrebe GOttes Ord- nung. Und also ist ein Regent, der dem de- nen Unterthanen gethanen Angelöbniß zuwider handelt, mehr GOttes Gerechtigkeit zu über- lassen, als daß den Unterthanen frey stehen sol- te, sich an ihm zu vergreiffen; Es wäre denn, daß ein Regente von den Reichs- und Land- Ständen unter der ausdrücklichen Bedingung zum Fürsten gesetzt worden, daß er den Pactis nicht zuwider lebte, und, wenn er sie violirte, alsdenn nicht mehr regierender Herr seyn sol- te, und auf diesen Eventum auf ein gewiß Ge- richte eingewilliget. Oder wenn der Landes- Fürst solche Excesse vornimmt, daß er alle gute Ordnung, alle göttliche und weltliche Gese- tze übern Hauffen schmeissen, die Unterthanen zu Lastern verleiten und nichts als Confusion in die Republic einführen will. Denn als- denn, wenn eines tugendhafften Unterthanen Le- ben nicht mehr vor einem solchen Landes-Fürsten sicher ist, halt ich davor, daß man mit rechtmäs- siger Befugniß einen dergleichen Landes-Für-
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§. 6. Hierbey fragt ſichs, ob man wohl befugt ſey, einem Landes-Fuͤrſten, wenn er die- jenigen Fundamental-Geſetze, die er mit den Unterthanen Contracts-Weiſe aufgerichtet, violiret, zu widerſtehen. Es iſt bekannt, daß derjenige, ſo der von GOtt eingeſetzten Obrig- keit widerſtrebet, widerſtrebe GOttes Ord- nung. Und alſo iſt ein Regent, der dem de- nen Unterthanen gethanen Angeloͤbniß zuwider handelt, mehr GOttes Gerechtigkeit zu uͤber- laſſen, als daß den Unterthanen frey ſtehen ſol- te, ſich an ihm zu vergreiffen; Es waͤre denn, daß ein Regente von den Reichs- und Land- Staͤnden unter der ausdruͤcklichen Bedingung zum Fuͤrſten geſetzt worden, daß er den Pactis nicht zuwider lebte, und, wenn er ſie violirte, alsdenn nicht mehr regierender Herr ſeyn ſol- te, und auf dieſen Eventum auf ein gewiß Ge- richte eingewilliget. Oder wenn der Landes- Fuͤrſt ſolche Exceſſe vornimmt, daß er alle gute Ordnung, alle goͤttliche und weltliche Geſe- tze uͤbern Hauffen ſchmeiſſen, die Unterthanen zu Laſtern verleiten und nichts als Confuſion in die Republic einfuͤhren will. Denn als- denn, wenn eines tugendhafften Unterthanen Le- ben nicht mehꝛ vor einem ſolchen Landes-Fuͤꝛſten ſicher iſt, halt ich davor, daß man mit rechtmaͤſ- ſiger Befugniß einen dergleichen Landes-Fuͤr-
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§. 6. Hierbey fragt ſichs, ob man wohl
befugt ſey, einem Landes-Fuͤrſten, wenn er die-
jenigen Fundamental-Geſetze, die er mit den
Unterthanen Contracts-Weiſe aufgerichtet,
violiret, zu widerſtehen. Es iſt bekannt, daß
derjenige, ſo der von GOtt eingeſetzten Obrig-
keit widerſtrebet, widerſtrebe GOttes Ord-
nung. Und alſo iſt ein Regent, der dem de-
nen Unterthanen gethanen Angeloͤbniß zuwider
handelt, mehr GOttes Gerechtigkeit zu uͤber-
laſſen, als daß den Unterthanen frey ſtehen ſol-
te, ſich an ihm zu vergreiffen; Es waͤre denn,
daß ein Regente von den Reichs- und Land-
Staͤnden unter der ausdruͤcklichen Bedingung
zum Fuͤrſten geſetzt worden, daß er den Pactis
nicht zuwider lebte, und, wenn er ſie violirte,
alsdenn nicht mehr regierender Herr ſeyn ſol-
te, und auf dieſen Eventum auf ein gewiß Ge-
richte eingewilliget. Oder wenn der Landes-
Fuͤrſt ſolche Exceſſe vornimmt, daß er alle gute
Ordnung, alle goͤttliche und weltliche Geſe-
tze uͤbern Hauffen ſchmeiſſen, die Unterthanen
zu Laſtern verleiten und nichts als Confuſion
in die Republic einfuͤhren will. Denn als-
denn, wenn eines tugendhafften Unterthanen Le-
ben nicht mehꝛ vor einem ſolchen Landes-Fuͤꝛſten
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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