aus zu bekommen. Hingegen, sind die Un- terthanen arm, so kan er, wenn er sie gleich noch so sehr prest, so wenig von ihnen heraus drücken, als aus einem Schwamm, in welchem keine Feuchtigkeit mehr ist. Aus einem Brun- nen, zu welchen immer neuer Zufluß kömmt, kan man wohl heraus schöpffen, und dem Brun- nen gehet doch nicht das geringste ab, sondern behält seinen Wasser-Vorrath zur Gnüge, und versiehet auch den, der heraus schöpffet, gar reichlich.
§. 2. Es ist der Herr Baron von Schrö- der in seiner Fürstlichen Schatz- und Rent- Cammer ungleicher Gedancken mit mir. Er meynt, ein Fürst, welcher keinen Schatz im Ka- sten hätte, sondern sich auf die Gutwilligkeit seiner Unterthanen und Länder verliesse, gänge auf Steltzen. Seine Raisons hievon sind fol- gende: Die Unterthanen wolten allezeit wissen, wenn Geld zu etwas gegeben würde, wozu es solte angewendet werden, grosse Herren müsten aber ihre Desseins geheim halten. (2.) Gän- ge öffters die Gelegenheit, ein gewiß Dessein auszuführen, dazu er Geldes vonnöthen hätte, aus den Händen, wenn er erst lange bey seinen Unterthanen um Hülffe und um Mittel bitten solte. (3.) Es pflegte mit solchen Landwilli- gungen gemeiniglich also herzugehen, daß, wenn
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aus zu bekommen. Hingegen, ſind die Un- terthanen arm, ſo kan er, wenn er ſie gleich noch ſo ſehr preſt, ſo wenig von ihnen heraus druͤcken, als aus einem Schwamm, in welchem keine Feuchtigkeit mehr iſt. Aus einem Brun- nen, zu welchen immer neuer Zufluß koͤmmt, kan man wohl heraus ſchoͤpffen, und dem Brun- nen gehet doch nicht das geringſte ab, ſondern behaͤlt ſeinen Waſſer-Vorrath zur Gnuͤge, und verſiehet auch den, der heraus ſchoͤpffet, gar reichlich.
§. 2. Es iſt der Herr Baron von Schroͤ- der in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Rent- Cammer ungleicher Gedancken mit mir. Er meynt, ein Fuͤrſt, welcher keinen Schatz im Ka- ſten haͤtte, ſondern ſich auf die Gutwilligkeit ſeiner Unterthanen und Laͤnder verlieſſe, gaͤnge auf Steltzen. Seine Raiſons hievon ſind fol- gende: Die Unterthanen wolten allezeit wiſſen, wenn Geld zu etwas gegeben wuͤrde, wozu es ſolte angewendet werden, groſſe Herren muͤſten aber ihre Deſſeins geheim halten. (2.) Gaͤn- ge oͤffters die Gelegenheit, ein gewiß Deſſein auszufuͤhren, dazu er Geldes vonnoͤthen haͤtte, aus den Haͤnden, wenn er erſt lange bey ſeinen Unterthanen um Huͤlffe und um Mittel bitten ſolte. (3.) Es pflegte mit ſolchen Landwilli- gungen gemeiniglich alſo herzugehen, daß, wenn
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aus zu bekommen. Hingegen, ſind die Un-
terthanen arm, ſo kan er, wenn er ſie gleich
noch ſo ſehr preſt, ſo wenig von ihnen heraus
druͤcken, als aus einem Schwamm, in welchem
keine Feuchtigkeit mehr iſt. Aus einem Brun-
nen, zu welchen immer neuer Zufluß koͤmmt,
kan man wohl heraus ſchoͤpffen, und dem Brun-
nen gehet doch nicht das geringſte ab, ſondern
behaͤlt ſeinen Waſſer-Vorrath zur Gnuͤge, und
verſiehet auch den, der heraus ſchoͤpffet, gar
reichlich.
§. 2. Es iſt der Herr Baron von Schroͤ-
der in ſeiner Fuͤrſtlichen Schatz- und Rent-
Cammer ungleicher Gedancken mit mir. Er
meynt, ein Fuͤrſt, welcher keinen Schatz im Ka-
ſten haͤtte, ſondern ſich auf die Gutwilligkeit
ſeiner Unterthanen und Laͤnder verlieſſe, gaͤnge
auf Steltzen. Seine Raiſons hievon ſind fol-
gende: Die Unterthanen wolten allezeit wiſſen,
wenn Geld zu etwas gegeben wuͤrde, wozu es
ſolte angewendet werden, groſſe Herren muͤſten
aber ihre Deſſeins geheim halten. (2.) Gaͤn-
ge oͤffters die Gelegenheit, ein gewiß Deſſein
auszufuͤhren, dazu er Geldes vonnoͤthen haͤtte,
aus den Haͤnden, wenn er erſt lange bey ſeinen
Unterthanen um Huͤlffe und um Mittel bitten
ſolte. (3.) Es pflegte mit ſolchen Landwilli-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 839. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/859>, abgerufen am 22.11.2024.
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