Antiochus, da er die Nacht bey einem Bauer geblieben, um unterschiedene raisonnemens zu hören, und von seiner eigenen Person zu re- den angefangen, vernommen: daß man an ihm aussetzte, daß er die meisten Regiments-Sor- gen auff etliche boßhafftige Diener transferirte; hingegen sich nur meistentheils mit der Jagd di- vertirte und sich im übrigen um die Regierung unbekümmert liesse. Durch diese Reden ist er so commoviret worden, daß er den folgenden Tag die Reichs-Kleinodien also anredete: Jch habe euch nun so lange geführet und dennoch die Wahrheit von meiner Person nicht eher ge- hört denn gestern.
§. 23. Der fünfften Classe sind diejenigen einzuverleiben, die sich nicht gescheuet, Fröhner und Bauer-Dienste zu thun, damit sie die freyen Reden desto eher anhören möchten. Es gedencket AEneas Sylvius in seinem Comment. ad Lib. Antonii Panormitae de dictis & factis Alphonsi Regis memorabilibus L. III. num. 48. von dem ältern Friderico, Hertzog zu Oe- sterreich, daß er öffters in einem gantz gemeinen Habit unter den Bauers-Leuten mit gepflüget und theils von sich, theils auch von seinen Be- dienten zu reden angefangen. Und als man ihm gefragt, warum er das thäte? geantwortet: Er könte sonst auf keine andere Art die Wahr-
heit
Antiochus, da er die Nacht bey einem Bauer geblieben, um unterſchiedene raiſonnemens zu hoͤren, und von ſeiner eigenen Perſon zu re- den angefangen, vernommen: daß man an ihm ausſetzte, daß er die meiſten Regiments-Sor- gen auff etliche boßhafftige Diener transferirte; hingegen ſich nur meiſtentheils mit der Jagd di- vertirte und ſich im uͤbrigen um die Regierung unbekuͤmmert lieſſe. Durch dieſe Reden iſt er ſo commoviret worden, daß er den folgenden Tag die Reichs-Kleinodien alſo anredete: Jch habe euch nun ſo lange gefuͤhret und dennoch die Wahrheit von meiner Perſon nicht eher ge- hoͤrt denn geſtern.
§. 23. Der fuͤnfften Claſſe ſind diejenigen einzuverleiben, die ſich nicht geſcheuet, Froͤhner und Bauer-Dienſte zu thun, damit ſie die freyen Reden deſto eher anhoͤren moͤchten. Es gedencket Æneas Sylvius in ſeinem Comment. ad Lib. Antonii Panormitæ de dictis & factis Alphonſi Regis memorabilibus L. III. num. 48. von dem aͤltern Friderico, Hertzog zu Oe- ſterreich, daß er oͤffters in einem gantz gemeinen Habit unter den Bauers-Leuten mit gepfluͤget und theils von ſich, theils auch von ſeinen Be- dienten zu reden angefangen. Und als man ihm gefragt, warum er das thaͤte? geantwortet: Er koͤnte ſonſt auf keine andere Art die Wahr-
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Antiochus, da er die Nacht bey einem Bauer
geblieben, um unterſchiedene raiſonnemens zu
hoͤren, und von ſeiner eigenen Perſon zu re-
den angefangen, vernommen: daß man an ihm
ausſetzte, daß er die meiſten Regiments-Sor-
gen auff etliche boßhafftige Diener transferirte;
hingegen ſich nur meiſtentheils mit der Jagd di-
vertirte und ſich im uͤbrigen um die Regierung
unbekuͤmmert lieſſe. Durch dieſe Reden iſt
er ſo commoviret worden, daß er den folgenden
Tag die Reichs-Kleinodien alſo anredete: Jch
habe euch nun ſo lange gefuͤhret und dennoch die
Wahrheit von meiner Perſon nicht eher ge-
hoͤrt denn geſtern.
§. 23. Der fuͤnfften Claſſe ſind diejenigen
einzuverleiben, die ſich nicht geſcheuet, Froͤhner
und Bauer-Dienſte zu thun, damit ſie die
freyen Reden deſto eher anhoͤren moͤchten. Es
gedencket Æneas Sylvius in ſeinem Comment.
ad Lib. Antonii Panormitæ de dictis & factis
Alphonſi Regis memorabilibus L. III. num.
48. von dem aͤltern Friderico, Hertzog zu Oe-
ſterreich, daß er oͤffters in einem gantz gemeinen
Habit unter den Bauers-Leuten mit gepfluͤget
und theils von ſich, theils auch von ſeinen Be-
dienten zu reden angefangen. Und als man
ihm gefragt, warum er das thaͤte? geantwortet:
Er koͤnte ſonſt auf keine andere Art die Wahr-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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