so genau durchgehen. Die Partheyen können alsdenn bey sich überlegen, ob sie Grund haben, den Proceß mit Hoffnung eines obsiegenden Urthelis fortzusetzen, oder lieber nachgeben wol- len. Die Advocaten können auch den Sta- tum causae ihrer Clienten desto eher hieraus erkennen, und bey sich bedencken, ob sie ihnen mit guten Gewissen lieber zu einem Vergleich oder weitern Fortsetzung des Processes anra- then wollen. Jedoch ist eben nicht nöthig, daß in solchen Fällen, die in den Rechten gantz klar und ausgemacht sind, die rationes decidendi annectirt werden; Jngleichen ist es eine wun- derliche Meynung, wenn einige in den Gedan- cken stehen, als ob unterschiedene rationes deci- dendi zugleich allezeit mit anzuführen wären. Die rationes müssen bey Abfassung der Ur- theile nicht gezehlet, sondern ponderiret wer- den. Es kömmt auf deren Menge nicht an, sondern auf deren Wichtigkeit. Es ist bey manchen Fällen genung, wenn eine eintzige Raison angeführet, die klar, deutlich und wich- tig, und zum Haupt-Werck oder zur Sache gehörig ist. Wer mehr Nachricht hiervon verlanget, kan die gelehrte Dissertation des Herrn D. Krestners, derationibus decidendi in variis juribus & responsis nachschlagen.
§. 26. Es ist in den meisten Justiz-Colle-
giis
ſo genau durchgehen. Die Partheyen koͤnnen alsdenn bey ſich uͤberlegen, ob ſie Grund haben, den Proceß mit Hoffnung eines obſiegenden Urthelis fortzuſetzen, oder lieber nachgeben wol- len. Die Advocaten koͤnnen auch den Sta- tum cauſæ ihrer Clienten deſto eher hieraus erkennen, und bey ſich bedencken, ob ſie ihnen mit guten Gewiſſen lieber zu einem Vergleich oder weitern Fortſetzung des Proceſſes anra- then wollen. Jedoch iſt eben nicht noͤthig, daß in ſolchen Faͤllen, die in den Rechten gantz klar und ausgemacht ſind, die rationes decidendi annectirt werden; Jngleichen iſt es eine wun- derliche Meynung, wenn einige in den Gedan- cken ſtehen, als ob unterſchiedene rationes deci- dendi zugleich allezeit mit anzufuͤhren waͤren. Die rationes muͤſſen bey Abfaſſung der Ur- theile nicht gezehlet, ſondern ponderiret wer- den. Es koͤmmt auf deren Menge nicht an, ſondern auf deren Wichtigkeit. Es iſt bey manchen Faͤllen genung, wenn eine eintzige Raiſon angefuͤhret, die klar, deutlich und wich- tig, und zum Haupt-Werck oder zur Sache gehoͤrig iſt. Wer mehr Nachricht hiervon verlanget, kan die gelehrte Diſſertation des Herrn D. Kreſtners, derationibus decidendi in variis juribus & reſponſis nachſchlagen.
§. 26. Es iſt in den meiſten Juſtiz-Colle-
giis
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ſo genau durchgehen. Die Partheyen koͤnnen
alsdenn bey ſich uͤberlegen, ob ſie Grund haben,
den Proceß mit Hoffnung eines obſiegenden
Urthelis fortzuſetzen, oder lieber nachgeben wol-
len. Die Advocaten koͤnnen auch den Sta-
tum cauſæ ihrer Clienten deſto eher hieraus
erkennen, und bey ſich bedencken, ob ſie ihnen
mit guten Gewiſſen lieber zu einem Vergleich
oder weitern Fortſetzung des Proceſſes anra-
then wollen. Jedoch iſt eben nicht noͤthig, daß
in ſolchen Faͤllen, die in den Rechten gantz klar
und ausgemacht ſind, die rationes decidendi
annectirt werden; Jngleichen iſt es eine wun-
derliche Meynung, wenn einige in den Gedan-
cken ſtehen, als ob unterſchiedene rationes deci-
dendi zugleich allezeit mit anzufuͤhren waͤren.
Die rationes muͤſſen bey Abfaſſung der Ur-
theile nicht gezehlet, ſondern ponderiret wer-
den. Es koͤmmt auf deren Menge nicht an,
ſondern auf deren Wichtigkeit. Es iſt bey
manchen Faͤllen genung, wenn eine eintzige
Raiſon angefuͤhret, die klar, deutlich und wich-
tig, und zum Haupt-Werck oder zur Sache
gehoͤrig iſt. Wer mehr Nachricht hiervon
verlanget, kan die gelehrte Diſſertation des
Herrn D. Kreſtners, derationibus decidendi
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 694. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/714>, abgerufen am 22.11.2024.
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