nicht kostbare Gevatterstücken verfertiget, und bey den Leichen keine prächtige mit theuren Spitzen verbremte Sterbe-Kittel angezogen werden sollen. Allein es wird fast in allen Städ- ten dieses nirgends in Acht genommen, theils weil die Vorgesetzten, die hierinnen ein gutes Exempel geben, und andere hierdurch zur Folge incitiren solten, an dergleichen Staat bey ih- rem Leben und Tode Gefallen tragen, theils auch, weil vielen Leuten daran gelegen, daß in allen Sachen eine grosse Verschwenduug vor- genommen und grosser Staat geführet wird, da heist es denn bißweilen, die Policey-Ordnun- gen und andere dergleichen Mandata wären schon vor langen Zeiten, vor 30. 40. 50. u. s. w. Jahren verfertiget worden; Damahls wäre gantz ein andrer Status gewesen, die Umstände der Personen und Zeiten hätten sich nunmehro gantz und gar geändert, und also wären sie in Decadence gerathen. Da sich aber die we- nigsten um deren Verneurung bekümmern, und solche nach den gegenwärtigen Umständen ein- richten, so bleibet alles in seiner Unordnung, und ein ieder macht in solchen Sachen, was er nur selber will, und was ihm gelüstet.
§. 21. Es muß die Obrigkeit in den Städ- ten allen Fleiß anwenden, daß die Bürger- schafft mit Korn, Fleisch, Brod und anderer
Noth-
nicht koſtbare Gevatterſtuͤcken verfertiget, und bey den Leichen keine praͤchtige mit theuren Spitzen verbremte Sterbe-Kittel angezogen werden ſollen. Allein es wird faſt in allen Staͤd- ten dieſes nirgends in Acht genommen, theils weil die Vorgeſetzten, die hierinnen ein gutes Exempel geben, und andere hierdurch zur Folge incitiren ſolten, an dergleichen Staat bey ih- rem Leben und Tode Gefallen tragen, theils auch, weil vielen Leuten daran gelegen, daß in allen Sachen eine groſſe Verſchwenduug vor- genommen und groſſer Staat gefuͤhret wird, da heiſt es denn bißweilen, die Policey-Ordnun- gen und andere dergleichen Mandata waͤren ſchon vor langen Zeiten, vor 30. 40. 50. u. ſ. w. Jahren verfertiget worden; Damahls waͤre gantz ein andrer Status geweſen, die Umſtaͤnde der Perſonen und Zeiten haͤtten ſich nunmehro gantz und gar geaͤndert, und alſo waͤren ſie in Decadence gerathen. Da ſich aber die we- nigſten um deren Verneurung bekuͤmmern, und ſolche nach den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden ein- richten, ſo bleibet alles in ſeiner Unordnung, und ein ieder macht in ſolchen Sachen, was er nur ſelber will, und was ihm geluͤſtet.
§. 21. Es muß die Obrigkeit in den Staͤd- ten allen Fleiß anwenden, daß die Buͤrger- ſchafft mit Korn, Fleiſch, Brod und anderer
Noth-
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nicht koſtbare Gevatterſtuͤcken verfertiget, und
bey den Leichen keine praͤchtige mit theuren
Spitzen verbremte Sterbe-Kittel angezogen
werden ſollen. Allein es wird faſt in allen Staͤd-
ten dieſes nirgends in Acht genommen, theils
weil die Vorgeſetzten, die hierinnen ein gutes
Exempel geben, und andere hierdurch zur Folge
incitiren ſolten, an dergleichen Staat bey ih-
rem Leben und Tode Gefallen tragen, theils
auch, weil vielen Leuten daran gelegen, daß in
allen Sachen eine groſſe Verſchwenduug vor-
genommen und groſſer Staat gefuͤhret wird, da
heiſt es denn bißweilen, die Policey-Ordnun-
gen und andere dergleichen Mandata waͤren
ſchon vor langen Zeiten, vor 30. 40. 50. u. ſ. w.
Jahren verfertiget worden; Damahls waͤre
gantz ein andrer Status geweſen, die Umſtaͤnde
der Perſonen und Zeiten haͤtten ſich nunmehro
gantz und gar geaͤndert, und alſo waͤren ſie in
Decadence gerathen. Da ſich aber die we-
nigſten um deren Verneurung bekuͤmmern, und
ſolche nach den gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden ein-
richten, ſo bleibet alles in ſeiner Unordnung, und
ein ieder macht in ſolchen Sachen, was er nur
ſelber will, und was ihm geluͤſtet.
§. 21. Es muß die Obrigkeit in den Staͤd-
ten allen Fleiß anwenden, daß die Buͤrger-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/643>, abgerufen am 22.11.2024.
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