scheinet gewiß, daß die meisten Sächsischen Rechts-Lehrer vor diesem den Carpzovium mehr aestimiret und veneriret, denn das Cor- pus juris Saxonici, und in jenes Schrifften bes- ser als in diesem bekannt gewesen zu seyn. Die- jenigen Gesetze, die er nicht angeführt oder mit Philippi und anderer Gloßen und observantien nicht illustriret, haben die Sächsischen Rechts- Gelehrten entweder niemahls gelesen oder doch schon wieder vergessen und Bedencken getragen, darnach zu sprechen. Daher sind die Consti- tutiones Churfürstens Augusti, die Decisiones Joh. Georgen des II. und die Sächsische Pro- ceß-Ordnung meistentheils in guter observanz. Hingegen die besondern Verordnungen, Man- data und Constitutiones Churfürstens Mau- ritii und derer beyden Christianorum werden hin und wieder ziemlicher Maßen negligiret; Auch die Erörterungen der neuen Landes-Ge- bräuchen nicht allezeit gehöriger Maßen, wie es wohl seyn solte, in Obacht genommen. Ja es sind unterschiedene Rescripta und heilsame Verordnungen verlohren gangen, die in das Sächsische Corpus juris nicht einmahl einge- tragen worden, und die noch in dem Staube der Vergessenheit versteckt liegen. Sie werden in den juristischen Compendiis und andern pragmatischen Scribenten selten oder fast gar
nicht
ſcheinet gewiß, daß die meiſten Saͤchſiſchen Rechts-Lehrer vor dieſem den Carpzovium mehr æſtimiret und veneriret, denn das Cor- pus juris Saxonici, und in jenes Schrifften beſ- ſer als in dieſem bekannt geweſen zu ſeyn. Die- jenigen Geſetze, die er nicht angefuͤhrt oder mit Philippi und anderer Gloßen und obſervantien nicht illuſtriret, haben die Saͤchſiſchen Rechts- Gelehrten entweder niemahls geleſen oder doch ſchon wieder vergeſſen und Bedencken getragen, darnach zu ſprechen. Daher ſind die Conſti- tutiones Churfuͤrſtens Auguſti, die Deciſiones Joh. Georgen des II. und die Saͤchſiſche Pro- ceß-Ordnung meiſtentheils in guter obſervanz. Hingegen die beſondern Verordnungen, Man- data und Conſtitutiones Churfuͤrſtens Mau- ritii und derer beyden Chriſtianorum werden hin und wieder ziemlicher Maßen negligiret; Auch die Eroͤrterungen der neuen Landes-Ge- braͤuchen nicht allezeit gehoͤriger Maßen, wie es wohl ſeyn ſolte, in Obacht genommen. Ja es ſind unterſchiedene Reſcripta und heilſame Verordnungen verlohren gangen, die in das Saͤchſiſche Corpus juris nicht einmahl einge- tragen worden, und die noch in dem Staube der Vergeſſenheit verſteckt liegen. Sie werden in den juriſtiſchen Compendiis und andern pragmatiſchen Scribenten ſelten oder faſt gar
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ſcheinet gewiß, daß die meiſten Saͤchſiſchen
Rechts-Lehrer vor dieſem den Carpzovium
mehr æſtimiret und veneriret, denn das Cor-
pus juris Saxonici, und in jenes Schrifften beſ-
ſer als in dieſem bekannt geweſen zu ſeyn. Die-
jenigen Geſetze, die er nicht angefuͤhrt oder mit
Philippi und anderer Gloßen und obſervantien
nicht illuſtriret, haben die Saͤchſiſchen Rechts-
Gelehrten entweder niemahls geleſen oder doch
ſchon wieder vergeſſen und Bedencken getragen,
darnach zu ſprechen. Daher ſind die Conſti-
tutiones Churfuͤrſtens Auguſti, die Deciſiones
Joh. Georgen des II. und die Saͤchſiſche Pro-
ceß-Ordnung meiſtentheils in guter obſervanz.
Hingegen die beſondern Verordnungen, Man-
data und Conſtitutiones Churfuͤrſtens Mau-
ritii und derer beyden Chriſtianorum werden
hin und wieder ziemlicher Maßen negligiret;
Auch die Eroͤrterungen der neuen Landes-Ge-
braͤuchen nicht allezeit gehoͤriger Maßen, wie es
wohl ſeyn ſolte, in Obacht genommen. Ja es
ſind unterſchiedene Reſcripta und heilſame
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Saͤchſiſche Corpus juris nicht einmahl einge-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/622>, abgerufen am 22.11.2024.
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