Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



fe, damit dem Beleidigten, dafern es möglich,
Satisfaction wiederfahre, der Beleidigende
hierdurch gebessert und andere von dergleichen
Boßheit abgehalten werden. Allein, die Art
und Weise der Straffe determinirt mir das
natürliche Recht nicht, sondern der Wille der
Landes-Fürsten, und daraus entstehet sodann
das Land-Recht.

§. 22. Es ist dasselbe nichts anders als ein
Jus naturae applicatum, da gewisse allgemeine
Grund-Sätze, die mir die gesunde Vernunfft
an die Hand giebt, auf besondere Personen und
andere Objecta der Republic applicirt werden.
Je mehr einer nun die gesunde Vernunfft und
das natürliche Recht excolirt hat, desto tüchti-
ger wird er auch seyn, allerhand Casus, die un-
möglich in den Landes-Gesetzen nach allen und
ieden Umständen haben entschieden werden
können, aus seinem eignen Gehirne vor sich zu
decidiren. Und wer sich an die blossen Wor-
te der Gesetze halten will, und selbst nicht nach-
sinnen kan noch will, wird gewißlich vielmahls
gar übel zu recht kommen.

§. 23. Es werden die Privat-Rechte in
Teutschland in drey Sorten eingetheilet, nem-
lich in das bürgerliche, in das Lehn-Recht, und
in das Kirchen-Recht. Der Unterscheid die-
ser drey Haupt-Eintheilungen, der auch bis

auf



fe, damit dem Beleidigten, dafern es moͤglich,
Satisfaction wiederfahre, der Beleidigende
hierdurch gebeſſert und andere von dergleichen
Boßheit abgehalten werden. Allein, die Art
und Weiſe der Straffe determinirt mir das
natuͤrliche Recht nicht, ſondern der Wille der
Landes-Fuͤrſten, und daraus entſtehet ſodann
das Land-Recht.

§. 22. Es iſt daſſelbe nichts anders als ein
Jus naturæ applicatum, da gewiſſe allgemeine
Grund-Saͤtze, die mir die geſunde Vernunfft
an die Hand giebt, auf beſondere Perſonen und
andere Objecta der Republic applicirt werden.
Je mehr einer nun die geſunde Vernunfft und
das natuͤrliche Recht excolirt hat, deſto tuͤchti-
ger wird er auch ſeyn, allerhand Caſus, die un-
moͤglich in den Landes-Geſetzen nach allen und
ieden Umſtaͤnden haben entſchieden werden
koͤnnen, aus ſeinem eignen Gehirne vor ſich zu
decidiren. Und wer ſich an die bloſſen Wor-
te der Geſetze halten will, und ſelbſt nicht nach-
ſinnen kan noch will, wird gewißlich vielmahls
gar uͤbel zu recht kommen.

§. 23. Es werden die Privat-Rechte in
Teutſchland in drey Sorten eingetheilet, nem-
lich in das buͤrgerliche, in das Lehn-Recht, und
in das Kirchen-Recht. Der Unterſcheid die-
ſer drey Haupt-Eintheilungen, der auch bis

auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0616" n="596"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> fe, damit dem Beleidigten, dafern es mo&#x0364;glich,<lb/><hi rendition="#aq">Satisfaction</hi> wiederfahre, der Beleidigende<lb/>
hierdurch gebe&#x017F;&#x017F;ert und andere von dergleichen<lb/>
Boßheit abgehalten werden. Allein, die Art<lb/>
und Wei&#x017F;e der Straffe <hi rendition="#aq">determini</hi>rt mir das<lb/>
natu&#x0364;rliche Recht nicht, &#x017F;ondern der Wille der<lb/>
Landes-Fu&#x0364;r&#x017F;ten, und daraus ent&#x017F;tehet &#x017F;odann<lb/>
das Land-Recht.</p><lb/>
        <p>§. 22. Es i&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe nichts anders als ein<lb/><hi rendition="#aq">Jus naturæ applicatum,</hi> da gewi&#x017F;&#x017F;e allgemeine<lb/>
Grund-Sa&#x0364;tze, die mir die ge&#x017F;unde Vernunfft<lb/>
an die Hand giebt, auf be&#x017F;ondere Per&#x017F;onen und<lb/>
andere <hi rendition="#aq">Objecta</hi> der Republic <hi rendition="#aq">applici</hi>rt werden.<lb/>
Je mehr einer nun die ge&#x017F;unde Vernunfft und<lb/>
das natu&#x0364;rliche Recht <hi rendition="#aq">excoli</hi>rt hat, de&#x017F;to tu&#x0364;chti-<lb/>
ger wird er auch &#x017F;eyn, allerhand <hi rendition="#aq">Ca&#x017F;us,</hi> die un-<lb/>
mo&#x0364;glich in den Landes-Ge&#x017F;etzen nach allen und<lb/>
ieden Um&#x017F;ta&#x0364;nden haben ent&#x017F;chieden werden<lb/>
ko&#x0364;nnen, aus &#x017F;einem eignen Gehirne vor &#x017F;ich zu<lb/><hi rendition="#aq">decidi</hi>ren. Und wer &#x017F;ich an die blo&#x017F;&#x017F;en Wor-<lb/>
te der Ge&#x017F;etze halten will, und &#x017F;elb&#x017F;t nicht nach-<lb/>
&#x017F;innen kan noch will, wird gewißlich vielmahls<lb/>
gar u&#x0364;bel zu recht kommen.</p><lb/>
        <p>§. 23. Es werden die Privat-Rechte in<lb/>
Teut&#x017F;chland in drey Sorten eingetheilet, nem-<lb/>
lich in das bu&#x0364;rgerliche, in das Lehn-Recht, und<lb/>
in das Kirchen-Recht. Der Unter&#x017F;cheid die-<lb/>
&#x017F;er drey Haupt-Eintheilungen, der auch bis<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[596/0616] fe, damit dem Beleidigten, dafern es moͤglich, Satisfaction wiederfahre, der Beleidigende hierdurch gebeſſert und andere von dergleichen Boßheit abgehalten werden. Allein, die Art und Weiſe der Straffe determinirt mir das natuͤrliche Recht nicht, ſondern der Wille der Landes-Fuͤrſten, und daraus entſtehet ſodann das Land-Recht. §. 22. Es iſt daſſelbe nichts anders als ein Jus naturæ applicatum, da gewiſſe allgemeine Grund-Saͤtze, die mir die geſunde Vernunfft an die Hand giebt, auf beſondere Perſonen und andere Objecta der Republic applicirt werden. Je mehr einer nun die geſunde Vernunfft und das natuͤrliche Recht excolirt hat, deſto tuͤchti- ger wird er auch ſeyn, allerhand Caſus, die un- moͤglich in den Landes-Geſetzen nach allen und ieden Umſtaͤnden haben entſchieden werden koͤnnen, aus ſeinem eignen Gehirne vor ſich zu decidiren. Und wer ſich an die bloſſen Wor- te der Geſetze halten will, und ſelbſt nicht nach- ſinnen kan noch will, wird gewißlich vielmahls gar uͤbel zu recht kommen. §. 23. Es werden die Privat-Rechte in Teutſchland in drey Sorten eingetheilet, nem- lich in das buͤrgerliche, in das Lehn-Recht, und in das Kirchen-Recht. Der Unterſcheid die- ſer drey Haupt-Eintheilungen, der auch bis auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/616
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/616>, abgerufen am 22.11.2024.