(3.) Die Strenge der Justiz mit der Clemenz und Gnade temperire. Nicht, daß er die La- ster nicht straffen solte, sondern darbey allemahl den Zweck der Straffen, absonderlich die Bes- serung des delinquenten vor Augen habe, und bey Leibe keinen Schein geben, daß er gerne straffe, und es ihm ums Geld zu thun sey, so denn, daß er bißweilen mit der Reue und Ver- sprechung der Besserung des delinquenten, wenn Hoffnung da ist, zufrieden sey; Vor allen Dingen aber, daß er nicht strenge straffe, sondern gern vergebe, wenn gegen ihm selbst pecciret wird. Denn wie in solchen Fällen eine scharffe Ahndung die Opinion eines rach- gierigen Gemüths des Regenten bey den Un- terthanen erwecket; Also werden im Gegen- theil nicht allein andere, sondern auch der De- linquent selbst zur Liebe bewogen, wenn sie se- hen, daß der Regent, so ihn hätte straffen kön- nen, ihm Gnade wiederfahren läst. Dieses hat Philippus, König in Macedonien, erfah- ren, als er einem, so von ihm sehr übel geredet, viel gutes erwieß, welcher dadurch zur Gegen- Liebe angetrieben wurde, und ihn überall rühm- te. Daher Philippus zu seinen Bedienten sagte: Bin ich nicht ein guter Medicus vor die Ver- läumdungen, und Käyser Sigismundus, als seine Freunde ihm vorwarffen, er straffte seine
Feinde
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(3.) Die Strenge der Juſtiz mit der Clemenz und Gnade temperire. Nicht, daß er die La- ſter nicht ſtraffen ſolte, ſondern darbey allemahl den Zweck der Straffen, abſonderlich die Beſ- ſerung des delinquenten vor Augen habe, und bey Leibe keinen Schein geben, daß er gerne ſtraffe, und es ihm ums Geld zu thun ſey, ſo denn, daß er bißweilen mit der Reue und Ver- ſprechung der Beſſerung des delinquenten, wenn Hoffnung da iſt, zufrieden ſey; Vor allen Dingen aber, daß er nicht ſtrenge ſtraffe, ſondern gern vergebe, wenn gegen ihm ſelbſt pecciret wird. Denn wie in ſolchen Faͤllen eine ſcharffe Ahndung die Opinion eines rach- gierigen Gemuͤths des Regenten bey den Un- terthanen erwecket; Alſo werden im Gegen- theil nicht allein andere, ſondern auch der De- linquent ſelbſt zur Liebe bewogen, wenn ſie ſe- hen, daß der Regent, ſo ihn haͤtte ſtraffen koͤn- nen, ihm Gnade wiederfahren laͤſt. Dieſes hat Philippus, Koͤnig in Macedonien, erfah- ren, als er einem, ſo von ihm ſehr uͤbel geredet, viel gutes erwieß, welcher dadurch zur Gegen- Liebe angetrieben wurde, und ihn uͤberall ruͤhm- te. Daher Philippus zu ſeinen Bedienten ſagte: Bin ich nicht ein guter Medicus vor die Ver- laͤumdungen, und Kaͤyſer Sigismundus, als ſeine Freunde ihm vorwarffen, er ſtraffte ſeine
Feinde
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(3.) Die Strenge der Juſtiz mit der Clemenz
und Gnade temperire. Nicht, daß er die La-
ſter nicht ſtraffen ſolte, ſondern darbey allemahl
den Zweck der Straffen, abſonderlich die Beſ-
ſerung des delinquenten vor Augen habe, und
bey Leibe keinen Schein geben, daß er gerne
ſtraffe, und es ihm ums Geld zu thun ſey, ſo
denn, daß er bißweilen mit der Reue und Ver-
ſprechung der Beſſerung des delinquenten,
wenn Hoffnung da iſt, zufrieden ſey; Vor
allen Dingen aber, daß er nicht ſtrenge ſtraffe,
ſondern gern vergebe, wenn gegen ihm ſelbſt
pecciret wird. Denn wie in ſolchen Faͤllen
eine ſcharffe Ahndung die Opinion eines rach-
gierigen Gemuͤths des Regenten bey den Un-
terthanen erwecket; Alſo werden im Gegen-
theil nicht allein andere, ſondern auch der De-
linquent ſelbſt zur Liebe bewogen, wenn ſie ſe-
hen, daß der Regent, ſo ihn haͤtte ſtraffen koͤn-
nen, ihm Gnade wiederfahren laͤſt. Dieſes
hat Philippus, Koͤnig in Macedonien, erfah-
ren, als er einem, ſo von ihm ſehr uͤbel geredet,
viel gutes erwieß, welcher dadurch zur Gegen-
Liebe angetrieben wurde, und ihn uͤberall ruͤhm-
te. Daher Philippus zu ſeinen Bedienten ſagte:
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/61>, abgerufen am 21.11.2024.
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