hat man sich nicht zu verwundern, daß so er- schrecklich viel Processe daher entstehen, und Baldus in seinen Collegiis, wenn er diese Lehre erkläret, die Zuhörer zur Aufmercksamkeit er- mahnet, weil er allein mit der Materia Substi- tutionum 15000. Ducaten erworben.
§. 7. Fast eben so viel Unheil und Verwir- rung entstehet auch in unsern Gerichten von den Römischen Subtilitäten. Denn außer dem, daß viel Römische Rechts-Gelehrten, deren Responsa in den Pandecten zu finden, eine son- derliche Freude an solchen Grillen hatten, so wurde auch deren eine grosse Menge bey folgen- der Gelegenheit ausgebrütet. Die Römer hatten sehr wenige Gesetze, und weil in den al- ten Zeiten neue Gesetze zu machen bey dem Rath und dem Volcke zugleich stund, so war es des Raths Interesse, daß nicht leichtlich neue Gesetze gemacht werden möchten, weil dessen Autorität darbey grosse Gefahr litte. Da aber gleichwohl viele Fälle in denen Gesetzen nicht ausgemacht waren, so muste den Praetori- bus, das ist, den obersten Richtern, die Gewalt verstattet werden, die Gesetze sehr weit und frey zu interpretiren, ja wenn es die Billigkeit er- foderte, gar wider die Strengigkeit der Gesetze zu sprechen, worbey freylich viel Unbilligkeit und Partheylichkeit mit unterlieff. Bey diesem
allen
hat man ſich nicht zu verwundern, daß ſo er- ſchrecklich viel Proceſſe daher entſtehen, und Baldus in ſeinen Collegiis, wenn er dieſe Lehre erklaͤret, die Zuhoͤrer zur Aufmerckſamkeit er- mahnet, weil er allein mit der Materia Subſti- tutionum 15000. Ducaten erworben.
§. 7. Faſt eben ſo viel Unheil und Verwir- rung entſtehet auch in unſern Gerichten von den Roͤmiſchen Subtilitaͤten. Denn außer dem, daß viel Roͤmiſche Rechts-Gelehrten, deren Reſponſa in den Pandecten zu finden, eine ſon- derliche Freude an ſolchen Grillen hatten, ſo wurde auch deren eine groſſe Menge bey folgen- der Gelegenheit ausgebruͤtet. Die Roͤmer hatten ſehr wenige Geſetze, und weil in den al- ten Zeiten neue Geſetze zu machen bey dem Rath und dem Volcke zugleich ſtund, ſo war es des Raths Intereſſe, daß nicht leichtlich neue Geſetze gemacht werden moͤchten, weil deſſen Autoritaͤt darbey groſſe Gefahr litte. Da aber gleichwohl viele Faͤlle in denen Geſetzen nicht ausgemacht waren, ſo muſte den Prætori- bus, das iſt, den oberſten Richtern, die Gewalt verſtattet werden, die Geſetze ſehr weit und frey zu interpretiren, ja wenn es die Billigkeit er- foderte, gar wider die Strengigkeit der Geſetze zu ſprechen, worbey freylich viel Unbilligkeit und Partheylichkeit mit unterlieff. Bey dieſem
allen
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hat man ſich nicht zu verwundern, daß ſo er-
ſchrecklich viel Proceſſe daher entſtehen, und
Baldus in ſeinen Collegiis, wenn er dieſe Lehre
erklaͤret, die Zuhoͤrer zur Aufmerckſamkeit er-
mahnet, weil er allein mit der Materia Subſti-
tutionum 15000. Ducaten erworben.
§. 7. Faſt eben ſo viel Unheil und Verwir-
rung entſtehet auch in unſern Gerichten von den
Roͤmiſchen Subtilitaͤten. Denn außer dem,
daß viel Roͤmiſche Rechts-Gelehrten, deren
Reſponſa in den Pandecten zu finden, eine ſon-
derliche Freude an ſolchen Grillen hatten, ſo
wurde auch deren eine groſſe Menge bey folgen-
der Gelegenheit ausgebruͤtet. Die Roͤmer
hatten ſehr wenige Geſetze, und weil in den al-
ten Zeiten neue Geſetze zu machen bey dem
Rath und dem Volcke zugleich ſtund, ſo war es
des Raths Intereſſe, daß nicht leichtlich neue
Geſetze gemacht werden moͤchten, weil deſſen
Autoritaͤt darbey groſſe Gefahr litte. Da
aber gleichwohl viele Faͤlle in denen Geſetzen
nicht ausgemacht waren, ſo muſte den Prætori-
bus, das iſt, den oberſten Richtern, die Gewalt
verſtattet werden, die Geſetze ſehr weit und frey
zu interpretiren, ja wenn es die Billigkeit er-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/594>, abgerufen am 25.11.2024.
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