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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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denn sie können abwesend dem gemeinen We-
sen und Landes-Regenten viel grösser Unheil
zuwege bringen, denn wenn sie in demselbigen
geblieben. Am besten ists, durch Wohltha-
ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen
Regierung nicht wohl zufrieden sind, suchen zu
gewinnen, oder wenn sie sich so aufgeführet, daß
sie convincirt sind, wie sie die Republic in die
gröste Unruhe setzen wollen, so thut ein Re-
gente weißlich, wenn er sie nach Gelegenheit der
Verbrechen entweder mit einer Todes Straf-
fe belegt, oder doch zum wenigsten zu ewiger
Gefängnisse condemniret.

§. 7. Bey den Atheniensern ist der Ostra-
cismus
gebräuchlich gewesen, da das Volck zu
gewissen Zeiten zusammen kommen und dieje-
nigen, die die andern an Reichthum, Macht
und Ansehen übertroffen, deren Nahmen sie auf
eine Auster-Schaale geschrieben, aus dem Lan-
de relegiret, wiewohl ohne Beschimpffung.
Die eine ungebundene Freyheit des Volcks
vertheidigen, defendiren dieses; Allein, wenn
man die Beschaffenheit eines solchen Modi
recht vernünfftig untersuchet, so ist er zu impro-
bi
ren. Denn es sind öffters unschuldige und
auch wohl tugendhaffte und patriotische Män-
ner bey dieser Gelegenheit aus dem Lande ge-
jaget worden, und sehr grosse Partheylichkei-

ten



denn ſie koͤnnen abweſend dem gemeinen We-
ſen und Landes-Regenten viel groͤſſer Unheil
zuwege bringen, denn wenn ſie in demſelbigen
geblieben. Am beſten iſts, durch Wohltha-
ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen
Regierung nicht wohl zufrieden ſind, ſuchen zu
gewinnen, oder wenn ſie ſich ſo aufgefuͤhret, daß
ſie convincirt ſind, wie ſie die Republic in die
groͤſte Unruhe ſetzen wollen, ſo thut ein Re-
gente weißlich, wenn er ſie nach Gelegenheit der
Verbrechen entweder mit einer Todes Straf-
fe belegt, oder doch zum wenigſten zu ewiger
Gefaͤngniſſe condemniret.

§. 7. Bey den Athenienſern iſt der Oſtra-
ciſmus
gebraͤuchlich geweſen, da das Volck zu
gewiſſen Zeiten zuſammen kommen und dieje-
nigen, die die andern an Reichthum, Macht
und Anſehen uͤbertroffen, deren Nahmen ſie auf
eine Auſter-Schaale geſchrieben, aus dem Lan-
de relegiret, wiewohl ohne Beſchimpffung.
Die eine ungebundene Freyheit des Volcks
vertheidigen, defendiren dieſes; Allein, wenn
man die Beſchaffenheit eines ſolchen Modi
recht vernuͤnfftig unterſuchet, ſo iſt er zu impro-
bi
ren. Denn es ſind oͤffters unſchuldige und
auch wohl tugendhaffte und patriotiſche Maͤn-
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jaget worden, und ſehr groſſe Partheylichkei-

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[552/0572] denn ſie koͤnnen abweſend dem gemeinen We- ſen und Landes-Regenten viel groͤſſer Unheil zuwege bringen, denn wenn ſie in demſelbigen geblieben. Am beſten iſts, durch Wohltha- ten alle diejenigen, die mit der Landes-herrlichen Regierung nicht wohl zufrieden ſind, ſuchen zu gewinnen, oder wenn ſie ſich ſo aufgefuͤhret, daß ſie convincirt ſind, wie ſie die Republic in die groͤſte Unruhe ſetzen wollen, ſo thut ein Re- gente weißlich, wenn er ſie nach Gelegenheit der Verbrechen entweder mit einer Todes Straf- fe belegt, oder doch zum wenigſten zu ewiger Gefaͤngniſſe condemniret. §. 7. Bey den Athenienſern iſt der Oſtra- ciſmus gebraͤuchlich geweſen, da das Volck zu gewiſſen Zeiten zuſammen kommen und dieje- nigen, die die andern an Reichthum, Macht und Anſehen uͤbertroffen, deren Nahmen ſie auf eine Auſter-Schaale geſchrieben, aus dem Lan- de relegiret, wiewohl ohne Beſchimpffung. Die eine ungebundene Freyheit des Volcks vertheidigen, defendiren dieſes; Allein, wenn man die Beſchaffenheit eines ſolchen Modi recht vernuͤnfftig unterſuchet, ſo iſt er zu impro- biren. Denn es ſind oͤffters unſchuldige und auch wohl tugendhaffte und patriotiſche Maͤn- ner bey dieſer Gelegenheit aus dem Lande ge- jaget worden, und ſehr groſſe Partheylichkei- ten

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/572>, abgerufen am 22.11.2024.