Allein es geschiehet nicht, weil vielleicht einige in den Gedancken stehen, sie seyn nicht so wichtig und capital, daß sie eine Straffe verdienten, oder so gemein und frequent, daß sie auch um deswillen nicht bestrafft werden könten, oder was sie sonst noch etwan mehr vor Raisons ha- ben. Mit einem Worte, es ist nicht Mode, sol- che Sachen zu bestraffen.
§. 21. Ob zwar, wie in andern Puncten, also auch in Ansehung der Straffen viel absur- de und unbillige Decisiones in den Römischen Gesetzen angetroffen werden, so ist doch hinge- gen auch nicht zu läugnen, daß die Römer man- ches gar weißlich verordnet, und die Teutschen ihnen billig in diesem Stück nachahmen und auch bey sich appliciren solten, wie aus folgen- den Exempeln zu ersehen seyn wird. Wenn ein Richter aus Boßheit eine Sache übel ver- abschiedet, so daß er sich entweder durch Geld hätte bestechen lassen, oder aus Feindschafft ge- gen die eine Parthey ein widerrechtliches Ur- theil gesprochen, so war nicht allein das Urtheil ipso jure null und nichtig, sondern er muste auch dem Gegentheil den gantzen Proceß bezah- len, und wurde noch darzu bestrafft, l. 2. C. de poen. Jud. qui mal. jud. l. 15. §. 1. ff. de jud. Daß diese Bestraffung gar billig und rechtmäs- sig sey, wird ein iedweder erkennen, daß aber
heutigs
Allein es geſchiehet nicht, weil vielleicht einige in den Gedancken ſtehen, ſie ſeyn nicht ſo wichtig und capital, daß ſie eine Straffe verdienten, oder ſo gemein und frequent, daß ſie auch um deswillen nicht beſtrafft werden koͤnten, oder was ſie ſonſt noch etwan mehr vor Raiſons ha- ben. Mit einem Worte, es iſt nicht Mode, ſol- che Sachen zu beſtraffen.
§. 21. Ob zwar, wie in andern Puncten, alſo auch in Anſehung der Straffen viel abſur- de und unbillige Deciſiones in den Roͤmiſchen Geſetzen angetroffen werden, ſo iſt doch hinge- gen auch nicht zu laͤugnen, daß die Roͤmer man- ches gar weißlich verordnet, und die Teutſchen ihnen billig in dieſem Stuͤck nachahmen und auch bey ſich appliciren ſolten, wie aus folgen- den Exempeln zu erſehen ſeyn wird. Wenn ein Richter aus Boßheit eine Sache uͤbel ver- abſchiedet, ſo daß er ſich entweder durch Geld haͤtte beſtechen laſſen, oder aus Feindſchafft ge- gen die eine Parthey ein widerrechtliches Ur- theil geſprochen, ſo war nicht allein das Urtheil ipſo jure null und nichtig, ſondern er muſte auch dem Gegentheil den gantzen Proceß bezah- len, und wurde noch darzu beſtrafft, l. 2. C. de pœn. Jud. qui mal. jud. l. 15. §. 1. ff. de jud. Daß dieſe Beſtraffung gar billig und rechtmaͤſ- ſig ſey, wird ein iedweder erkennen, daß aber
heutigs
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0558"n="538"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw> Allein es geſchiehet nicht, weil vielleicht einige in<lb/>
den Gedancken ſtehen, ſie ſeyn nicht ſo wichtig<lb/>
und <hirendition="#aq">capital,</hi> daß ſie eine Straffe verdienten,<lb/>
oder ſo gemein und <hirendition="#aq">frequent,</hi> daß ſie auch um<lb/>
deswillen nicht beſtrafft werden koͤnten, oder<lb/>
was ſie ſonſt noch etwan mehr vor <hirendition="#aq">Raiſons</hi> ha-<lb/>
ben. Mit einem Worte, es iſt nicht <hirendition="#aq">Mode,</hi>ſol-<lb/>
che Sachen zu beſtraffen.</p><lb/><p>§. 21. Ob zwar, wie in andern Puncten,<lb/>
alſo auch in Anſehung der Straffen viel <hirendition="#aq">abſur-<lb/>
de</hi> und unbillige <hirendition="#aq">Deciſiones</hi> in den Roͤmiſchen<lb/>
Geſetzen angetroffen werden, ſo iſt doch hinge-<lb/>
gen auch nicht zu laͤugnen, daß die Roͤmer man-<lb/>
ches gar weißlich verordnet, und die Teutſchen<lb/>
ihnen billig in dieſem Stuͤck nachahmen und<lb/>
auch bey ſich <hirendition="#aq">applici</hi>ren ſolten, wie aus folgen-<lb/>
den Exempeln zu erſehen ſeyn wird. Wenn<lb/>
ein Richter aus Boßheit eine Sache uͤbel ver-<lb/>
abſchiedet, ſo daß er ſich entweder durch Geld<lb/>
haͤtte beſtechen laſſen, oder aus Feindſchafft ge-<lb/>
gen die eine Parthey ein widerrechtliches Ur-<lb/>
theil geſprochen, ſo war nicht allein das Urtheil<lb/><hirendition="#aq">ipſo jure</hi> null und nichtig, ſondern er muſte<lb/>
auch dem Gegentheil den gantzen Proceß bezah-<lb/>
len, und wurde noch darzu beſtrafft, <hirendition="#aq">l. 2. C. de<lb/>
pœn. Jud. qui mal. jud. l. 15. §. 1. ff. de jud.</hi><lb/>
Daß dieſe Beſtraffung gar billig und rechtmaͤſ-<lb/>ſig ſey, wird ein iedweder erkennen, daß aber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">heutigs</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[538/0558]
Allein es geſchiehet nicht, weil vielleicht einige in
den Gedancken ſtehen, ſie ſeyn nicht ſo wichtig
und capital, daß ſie eine Straffe verdienten,
oder ſo gemein und frequent, daß ſie auch um
deswillen nicht beſtrafft werden koͤnten, oder
was ſie ſonſt noch etwan mehr vor Raiſons ha-
ben. Mit einem Worte, es iſt nicht Mode, ſol-
che Sachen zu beſtraffen.
§. 21. Ob zwar, wie in andern Puncten,
alſo auch in Anſehung der Straffen viel abſur-
de und unbillige Deciſiones in den Roͤmiſchen
Geſetzen angetroffen werden, ſo iſt doch hinge-
gen auch nicht zu laͤugnen, daß die Roͤmer man-
ches gar weißlich verordnet, und die Teutſchen
ihnen billig in dieſem Stuͤck nachahmen und
auch bey ſich appliciren ſolten, wie aus folgen-
den Exempeln zu erſehen ſeyn wird. Wenn
ein Richter aus Boßheit eine Sache uͤbel ver-
abſchiedet, ſo daß er ſich entweder durch Geld
haͤtte beſtechen laſſen, oder aus Feindſchafft ge-
gen die eine Parthey ein widerrechtliches Ur-
theil geſprochen, ſo war nicht allein das Urtheil
ipſo jure null und nichtig, ſondern er muſte
auch dem Gegentheil den gantzen Proceß bezah-
len, und wurde noch darzu beſtrafft, l. 2. C. de
pœn. Jud. qui mal. jud. l. 15. §. 1. ff. de jud.
Daß dieſe Beſtraffung gar billig und rechtmaͤſ-
ſig ſey, wird ein iedweder erkennen, daß aber
heutigs
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/558>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.