Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.zwischen seinem eignen Interesse und der Wohlfarth der Unterthanen, so muß er aus Liebe vor sein Land, um das gemeinschafftliche Interesse zu befördern, seinen eignen Vortheil nachsetzen. Hierdurch erwirbet er sich nicht nur bey seinen Unterthanen Liebe, sondern thut auch dasjenige, worzu er von unsern HEr- re GOtt gesetzt ist; Und sind gleich die Souve- rains nicht verbunden, iemand auf der Welt vor ihre actionen Rechenschafft zu geben; So haben sie doch den allgemeinen Richter im Himmel so wohl über sich, als die allergering- sten von ihren Unterthanen, dem sie dereinst an dem grossen Gerichts-Tage von ihrer Regie- rung Red und Antwort werden geben müssen. Gleich wie es nun, wie gern es auch ein weiser Regent wünschen möchte, unmöglich ist, daß er die Glückseeligkeit aller seiner Unterthanen in individuis befördern und erhalten kan, son- dern einige nothwendiger Weise unglücklich ma- chen muß; Also hat er seiner Pflicht schon ein Gnügen geleistet, wenn er, so viel an ihm ist, auf die Conservation und Verbesserung der mei- sten bedacht ist. Salus populi muß nach der Ehre GOttes die Richt Schnur seiner actio- nen seyn. §. 3. Eine Privat-Person hat viel We- ge, C 2
zwiſchen ſeinem eignen Intereſſe und der Wohlfarth der Unterthanen, ſo muß er aus Liebe vor ſein Land, um das gemeinſchafftliche Intereſſe zu befoͤrdern, ſeinen eignen Vortheil nachſetzen. Hierdurch erwirbet er ſich nicht nur bey ſeinen Unterthanen Liebe, ſondern thut auch dasjenige, worzu er von unſern HEr- re GOtt geſetzt iſt; Und ſind gleich die Souve- rains nicht verbunden, iemand auf der Welt vor ihre actionen Rechenſchafft zu geben; So haben ſie doch den allgemeinen Richter im Himmel ſo wohl uͤber ſich, als die allergering- ſten von ihren Unterthanen, dem ſie dereinſt an dem groſſen Gerichts-Tage von ihrer Regie- rung Red und Antwort werden geben muͤſſen. Gleich wie es nun, wie gern es auch ein weiſer Regent wuͤnſchen moͤchte, unmoͤglich iſt, daß er die Gluͤckſeeligkeit aller ſeiner Unterthanen in individuis befoͤrdern und erhalten kan, ſon- deꝛn einige nothwendigeꝛ Weiſe ungluͤcklich ma- chen muß; Alſo hat er ſeiner Pflicht ſchon ein Gnuͤgen geleiſtet, wenn er, ſo viel an ihm iſt, auf die Conſervation und Verbeſſerung der mei- ſten bedacht iſt. Salus populi muß nach der Ehre GOttes die Richt Schnur ſeiner actio- nen ſeyn. §. 3. Eine Privat-Perſon hat viel We- ge, C 2
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nicht beſtehen kan. Gehet eine Colliſion vor
zwiſchen ſeinem eignen Intereſſe und der
Wohlfarth der Unterthanen, ſo muß er aus
Liebe vor ſein Land, um das gemeinſchafftliche
Intereſſe zu befoͤrdern, ſeinen eignen Vortheil
nachſetzen. Hierdurch erwirbet er ſich nicht
nur bey ſeinen Unterthanen Liebe, ſondern
thut auch dasjenige, worzu er von unſern HEr-
re GOtt geſetzt iſt; Und ſind gleich die Souve-
rains nicht verbunden, iemand auf der Welt
vor ihre actionen Rechenſchafft zu geben; So
haben ſie doch den allgemeinen Richter im
Himmel ſo wohl uͤber ſich, als die allergering-
ſten von ihren Unterthanen, dem ſie dereinſt an
dem groſſen Gerichts-Tage von ihrer Regie-
rung Red und Antwort werden geben muͤſſen.
Gleich wie es nun, wie gern es auch ein weiſer
Regent wuͤnſchen moͤchte, unmoͤglich iſt, daß er
die Gluͤckſeeligkeit aller ſeiner Unterthanen in
individuis befoͤrdern und erhalten kan, ſon-
deꝛn einige nothwendigeꝛ Weiſe ungluͤcklich ma-
chen muß; Alſo hat er ſeiner Pflicht ſchon ein
Gnuͤgen geleiſtet, wenn er, ſo viel an ihm iſt, auf
die Conſervation und Verbeſſerung der mei-
ſten bedacht iſt. Salus populi muß nach der
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Zitationshilfe: | Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/55>, abgerufen am 17.07.2024. |