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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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eine grosse Unbilligkeit sey, ist gantz klar, indem
diese Leute nichts unrechts begangen. Nach
denen Göttlichen und natürlichen Gesetzen sol-
len die Kinder die Missethaten ihrer Eltern
nicht tragen. Aber den Römischen Rechten
nach werden die Kinder derjenigen, die sich an
ihrem Landes-Fürsten vergriffen, nicht allein
infam, sondern auch aller Exbschafft und Suc-
cession
en unfähig, v. l. 8. §. 1. C. ad L. Jul.
Majest.
und zwar aus der Raison, weil man
bey ihnen gleiche Verbrechen besorgt, als ihre
Eltern beschuldigt und überführet worden, wel-
ches mit dem gemeinen Sprüchwort überein-
kömmt, da es heist: Der Apffel fällt nicht weit
vom Stamme. Allein es ist dieses gewiß ei-
ne sehr elende Raison, massen man so viel Kin-
der sieht, die die gottlosesten Leute zu ihren El-
tern haben, die aber dennoch gantz wohl gera-
then und stille und fromme Leute sind. Einige
Rechts-Lehrer stehen in den Gedancken, als ob
die Kinder derer, die sich gegen die hohe Landes-
Obrigkeit rebellisch bezeigt, nicht sowohl eigent-
lich bestrafft, als vielmehr in denjenigen Zu-
stand gebracht würden, daß sie nicht mehr scha-
den könten. Allein es wird mich kein Mensch
überreden, daß die Beschimpffung, Ausschlies-
sung von aller Succession und Landes-Verwei-
sung nicht auch eine Straffe in eigentlichem

Ver-
K k 4



eine groſſe Unbilligkeit ſey, iſt gantz klar, indem
dieſe Leute nichts unrechts begangen. Nach
denen Goͤttlichen und natuͤrlichen Geſetzen ſol-
len die Kinder die Miſſethaten ihrer Eltern
nicht tragen. Aber den Roͤmiſchen Rechten
nach werden die Kinder derjenigen, die ſich an
ihrem Landes-Fuͤrſten vergriffen, nicht allein
infam, ſondern auch aller Exbſchafft und Suc-
ceſſion
en unfaͤhig, v. l. 8. §. 1. C. ad L. Jul.
Majeſt.
und zwar aus der Raiſon, weil man
bey ihnen gleiche Verbrechen beſorgt, als ihre
Eltern beſchuldigt und uͤberfuͤhret worden, wel-
ches mit dem gemeinen Spruͤchwort uͤberein-
koͤmmt, da es heiſt: Der Apffel faͤllt nicht weit
vom Stamme. Allein es iſt dieſes gewiß ei-
ne ſehr elende Raiſon, maſſen man ſo viel Kin-
der ſieht, die die gottloſeſten Leute zu ihren El-
tern haben, die aber dennoch gantz wohl gera-
then und ſtille und fromme Leute ſind. Einige
Rechts-Lehrer ſtehen in den Gedancken, als ob
die Kinder derer, die ſich gegen die hohe Landes-
Obrigkeit rebelliſch bezeigt, nicht ſowohl eigent-
lich beſtrafft, als vielmehr in denjenigen Zu-
ſtand gebracht wuͤrden, daß ſie nicht mehr ſcha-
den koͤnten. Allein es wird mich kein Menſch
uͤberreden, daß die Beſchimpffung, Ausſchlieſ-
ſung von aller Succeſſion und Landes-Verwei-
ſung nicht auch eine Straffe in eigentlichem

Ver-
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[519/0539] eine groſſe Unbilligkeit ſey, iſt gantz klar, indem dieſe Leute nichts unrechts begangen. Nach denen Goͤttlichen und natuͤrlichen Geſetzen ſol- len die Kinder die Miſſethaten ihrer Eltern nicht tragen. Aber den Roͤmiſchen Rechten nach werden die Kinder derjenigen, die ſich an ihrem Landes-Fuͤrſten vergriffen, nicht allein infam, ſondern auch aller Exbſchafft und Suc- ceſſionen unfaͤhig, v. l. 8. §. 1. C. ad L. Jul. Majeſt. und zwar aus der Raiſon, weil man bey ihnen gleiche Verbrechen beſorgt, als ihre Eltern beſchuldigt und uͤberfuͤhret worden, wel- ches mit dem gemeinen Spruͤchwort uͤberein- koͤmmt, da es heiſt: Der Apffel faͤllt nicht weit vom Stamme. Allein es iſt dieſes gewiß ei- ne ſehr elende Raiſon, maſſen man ſo viel Kin- der ſieht, die die gottloſeſten Leute zu ihren El- tern haben, die aber dennoch gantz wohl gera- then und ſtille und fromme Leute ſind. Einige Rechts-Lehrer ſtehen in den Gedancken, als ob die Kinder derer, die ſich gegen die hohe Landes- Obrigkeit rebelliſch bezeigt, nicht ſowohl eigent- lich beſtrafft, als vielmehr in denjenigen Zu- ſtand gebracht wuͤrden, daß ſie nicht mehr ſcha- den koͤnten. Allein es wird mich kein Menſch uͤberreden, daß die Beſchimpffung, Ausſchlieſ- ſung von aller Succeſſion und Landes-Verwei- ſung nicht auch eine Straffe in eigentlichem Ver- K k 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/539>, abgerufen am 25.11.2024.