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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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nicht viel in der prudentia politica erfahren ge-
wesen, und alles zu der Zeit, da man die
Staats-Affairen dirigiren sollen und müssen,
erstlich durch die Länge der Zeit, Consulirung
andrer mit Schaden und Schande hat lernen
müssen, oder da man die Staats-Klugheit quo-
ad theoriam
wohl innen gehabt, weil es einem
aber an der Praxi gefehlet, die Gütigkeit
der Regeln, und Maximen der Klugheit nicht
recht beurtheilen können. Daß diese Erfah-
rung durch einen sehr langen Umweg gehe, und
nicht gar viel tauge, haben wir oben gesagt.
Durch fremde Erfahrung wird man klug,
wenn man nicht alleine Gelegenheit hat mit ge-
scheuten Politicis und Staats-kundigen Män-
nern, die auch darneben auffrichtig und dienst-
hafftig seyn, fleißig zu conversiren, oder sich
und ihren Schrifften, da sie dasjenige, was sie
in ihrer praxi gefunden, aufgezeichnet, zu er-
bauen, sondern auch wohl, wie bereits gemeldet,
mit andern und gemeinen Leuten, die einem
ebenfalls allerhand Nachrichten ertheilen kön-
nen, zu discouriren, und sie in einem und an-
dern auszuhohlen.

§. 25. Es ist die Staats-Klugheit ein sehr
weitläufftiges Studium, und begreifft gar viel
Wissenschafften in sich. Die den Staat eines
Landes zu dirigiren haben, müssen sich so zu

reden,



nicht viel in der prudentia politica erfahren ge-
weſen, und alles zu der Zeit, da man die
Staats-Affairen dirigiren ſollen und muͤſſen,
erſtlich durch die Laͤnge der Zeit, Conſulirung
andrer mit Schaden und Schande hat lernen
muͤſſen, oder da man die Staats-Klugheit quo-
ad theoriam
wohl innen gehabt, weil es einem
aber an der Praxi gefehlet, die Guͤtigkeit
der Regeln, und Maximen der Klugheit nicht
recht beurtheilen koͤnnen. Daß dieſe Erfah-
rung durch einen ſehr langen Umweg gehe, und
nicht gar viel tauge, haben wir oben geſagt.
Durch fremde Erfahrung wird man klug,
wenn man nicht alleine Gelegenheit hat mit ge-
ſcheuten Politicis und Staats-kundigen Maͤn-
nern, die auch darneben auffrichtig und dienſt-
hafftig ſeyn, fleißig zu converſiren, oder ſich
und ihren Schrifften, da ſie dasjenige, was ſie
in ihrer praxi gefunden, aufgezeichnet, zu er-
bauen, ſondeꝛn auch wohl, wie bereits gemeldet,
mit andern und gemeinen Leuten, die einem
ebenfalls allerhand Nachrichten ertheilen koͤn-
nen, zu diſcouriren, und ſie in einem und an-
dern auszuhohlen.

§. 25. Es iſt die Staats-Klugheit ein ſehr
weitlaͤufftiges Studium, und begreifft gar viel
Wiſſenſchafften in ſich. Die den Staat eines
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[32/0052] nicht viel in der prudentia politica erfahren ge- weſen, und alles zu der Zeit, da man die Staats-Affairen dirigiren ſollen und muͤſſen, erſtlich durch die Laͤnge der Zeit, Conſulirung andrer mit Schaden und Schande hat lernen muͤſſen, oder da man die Staats-Klugheit quo- ad theoriam wohl innen gehabt, weil es einem aber an der Praxi gefehlet, die Guͤtigkeit der Regeln, und Maximen der Klugheit nicht recht beurtheilen koͤnnen. Daß dieſe Erfah- rung durch einen ſehr langen Umweg gehe, und nicht gar viel tauge, haben wir oben geſagt. Durch fremde Erfahrung wird man klug, wenn man nicht alleine Gelegenheit hat mit ge- ſcheuten Politicis und Staats-kundigen Maͤn- nern, die auch darneben auffrichtig und dienſt- hafftig ſeyn, fleißig zu converſiren, oder ſich und ihren Schrifften, da ſie dasjenige, was ſie in ihrer praxi gefunden, aufgezeichnet, zu er- bauen, ſondeꝛn auch wohl, wie bereits gemeldet, mit andern und gemeinen Leuten, die einem ebenfalls allerhand Nachrichten ertheilen koͤn- nen, zu diſcouriren, und ſie in einem und an- dern auszuhohlen. §. 25. Es iſt die Staats-Klugheit ein ſehr weitlaͤufftiges Studium, und begreifft gar viel Wiſſenſchafften in ſich. Die den Staat eines Landes zu dirigiren haben, muͤſſen ſich ſo zu reden,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/52>, abgerufen am 21.11.2024.