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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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schein geführet, so siehet man nicht weniger
die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die-
sen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr-
heiten in denen Gerichten grand mode, so solten
Landes-Fürsten billig mit aller Gewalt dran
seyn, diesen Lügen abzuhelffen, und auff diejeni-
gen, so etwas ohne Grund anführen und vorge-
ben, sehr scharffe Straffen zu setzen. Siehe
hiervon mit mehrern die Disseitation des seel.
Herrn Stryks de abbreviandis litibus per poe-
nam mendacii.

§. 10. Gleichwie man überhaupt siehet,
daß über diejenigen Pflichten, so zu den Gebo-
ten der ersten Taffel gehören, nicht so gar scharff
gehalten wird; Also erkennet man diese Nach-
läßigkeit insonderheit bey der Heiligung der
Sonn- und Fast-Täge. Die meisten bilden
sich ein, die Heiligung bestehe bloß darinnen,
daß man an diesen Tagen zweymahl in die Kir-
che gehe, und des Gottesdiensts abwarte und
nach geendigten Predigten könne man vorneh-
men was man wolle. Da lassen sich die mei-
sten von dem gemeinen Pöbel in den Schencken
und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet,
gespielet und getruncken wird; die von höhern
Stande aber stellen insgemein an diesen Tä-
gen ihre Assembleen und Gastgebote an, wel-
ches die fast allgemeine Erfahrung bestätiget.

Zu



ſchein gefuͤhret, ſo ſiehet man nicht weniger
die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die-
ſen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr-
heiten in denen Gerichten grand mode, ſo ſolten
Landes-Fuͤrſten billig mit aller Gewalt dran
ſeyn, dieſen Luͤgen abzuhelffen, und auff diejeni-
gen, ſo etwas ohne Grund anfuͤhren und vorge-
ben, ſehr ſcharffe Straffen zu ſetzen. Siehe
hiervon mit mehrern die Diſſeitation des ſeel.
Herrn Stryks de abbreviandis litibus per pœ-
nam mendacii.

§. 10. Gleichwie man uͤberhaupt ſiehet,
daß uͤber diejenigen Pflichten, ſo zu den Gebo-
ten der erſten Taffel gehoͤren, nicht ſo gar ſcharff
gehalten wird; Alſo erkennet man dieſe Nach-
laͤßigkeit inſonderheit bey der Heiligung der
Sonn- und Faſt-Taͤge. Die meiſten bilden
ſich ein, die Heiligung beſtehe bloß darinnen,
daß man an dieſen Tagen zweymahl in die Kir-
che gehe, und des Gottesdienſts abwarte und
nach geendigten Predigten koͤnne man vorneh-
men was man wolle. Da laſſen ſich die mei-
ſten von dem gemeinen Poͤbel in den Schencken
und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet,
geſpielet und getruncken wird; die von hoͤhern
Stande aber ſtellen insgemein an dieſen Taͤ-
gen ihre Aſſembléen und Gaſtgebote an, wel-
ches die faſt allgemeine Erfahrung beſtaͤtiget.

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[482/0502] ſchein gefuͤhret, ſo ſiehet man nicht weniger die Wahrheit Noth leiden. Da nun aus die- ſen wenigen Exempeln erhellet, daß die Unwahr- heiten in denen Gerichten grand mode, ſo ſolten Landes-Fuͤrſten billig mit aller Gewalt dran ſeyn, dieſen Luͤgen abzuhelffen, und auff diejeni- gen, ſo etwas ohne Grund anfuͤhren und vorge- ben, ſehr ſcharffe Straffen zu ſetzen. Siehe hiervon mit mehrern die Diſſeitation des ſeel. Herrn Stryks de abbreviandis litibus per pœ- nam mendacii. §. 10. Gleichwie man uͤberhaupt ſiehet, daß uͤber diejenigen Pflichten, ſo zu den Gebo- ten der erſten Taffel gehoͤren, nicht ſo gar ſcharff gehalten wird; Alſo erkennet man dieſe Nach- laͤßigkeit inſonderheit bey der Heiligung der Sonn- und Faſt-Taͤge. Die meiſten bilden ſich ein, die Heiligung beſtehe bloß darinnen, daß man an dieſen Tagen zweymahl in die Kir- che gehe, und des Gottesdienſts abwarte und nach geendigten Predigten koͤnne man vorneh- men was man wolle. Da laſſen ſich die mei- ſten von dem gemeinen Poͤbel in den Schencken und an denjenigen Oertern finden, wo getantzet, geſpielet und getruncken wird; die von hoͤhern Stande aber ſtellen insgemein an dieſen Taͤ- gen ihre Aſſembléen und Gaſtgebote an, wel- ches die faſt allgemeine Erfahrung beſtaͤtiget. Zu

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/502>, abgerufen am 03.07.2024.