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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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§. 3. Gleichwie überhaupt die meisten
Menschen ihre Handlungen mehr nach den
Exempeln anderer Leute, denn nach denen Re-
geln anzustellen pflegen; Also siehet man ins-
gemein, daß sich die Personen geringern Stan-
des in ihren Actionen denen Höhern conformi-
ren, theils, weil ihrer viele das Vorurtheil haben,
daß sie dencken, die Personen höhern Stan-
des besitzen mehr Verstand und Geschicklich-
keit, denn sie: theils, weil sie glauben, sich hier-
durch mehr bey ihnen zu recommendiren und
beliebter zu machen: theils auch, weil sie sich
einbilden, sie werden bey ihres Gleichen und de-
nen, die noch geringeres Standes sind, sich ein
grösser Ansehen zuwege bringen, wenn sie die
Höhern imitiren und dasjenige thun, was jene
vornehmen. Vor allen pflegen die Untertha-
nen auf den Fürsten-Stuhl ihres Landes-Her-
ren ihre Augen zu richten, und gleichwie er über
sie alle wegraget, also sind auch seine actiones
desto sichtbarer. Dahero das Sprüchwort
schon längst entstanden: Qualis Rex, talis
grex.
Wie der Landes-Fürst ist, so sind auch
die Unterthanen. Will nun ein Herr, daß
seine Unterthanen sich eines tugendhafften Le-
bens-Wandels befleißigen sollen, so ist sein ei-
gen Leben, wenn es nach den Tugend-Regeln
eingerichtet ist, das allerschärffste Gesetz, so er

ihnen
G g 4


§. 3. Gleichwie uͤberhaupt die meiſten
Menſchen ihre Handlungen mehr nach den
Exempeln anderer Leute, denn nach denen Re-
geln anzuſtellen pflegen; Alſo ſiehet man ins-
gemein, daß ſich die Perſonen geringern Stan-
des in ihren Actionen denen Hoͤhern conformi-
ren, theils, weil ihꝛer viele das Voꝛurtheil haben,
daß ſie dencken, die Perſonen hoͤhern Stan-
des beſitzen mehr Verſtand und Geſchicklich-
keit, denn ſie: theils, weil ſie glauben, ſich hier-
durch mehr bey ihnen zu recommendiren und
beliebter zu machen: theils auch, weil ſie ſich
einbilden, ſie werden bey ihres Gleichen und de-
nen, die noch geringeres Standes ſind, ſich ein
groͤſſer Anſehen zuwege bringen, wenn ſie die
Hoͤhern imitiren und dasjenige thun, was jene
vornehmen. Vor allen pflegen die Untertha-
nen auf den Fuͤrſten-Stuhl ihres Landes-Her-
ren ihre Augen zu richten, und gleichwie er uͤber
ſie alle wegraget, alſo ſind auch ſeine actiones
deſto ſichtbarer. Dahero das Spruͤchwort
ſchon laͤngſt entſtanden: Qualis Rex, talis
grex.
Wie der Landes-Fuͤrſt iſt, ſo ſind auch
die Unterthanen. Will nun ein Herr, daß
ſeine Unterthanen ſich eines tugendhafften Le-
bens-Wandels befleißigen ſollen, ſo iſt ſein ei-
gen Leben, wenn es nach den Tugend-Regeln
eingerichtet iſt, das allerſchaͤrffſte Geſetz, ſo er

ihnen
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[471/0491] §. 3. Gleichwie uͤberhaupt die meiſten Menſchen ihre Handlungen mehr nach den Exempeln anderer Leute, denn nach denen Re- geln anzuſtellen pflegen; Alſo ſiehet man ins- gemein, daß ſich die Perſonen geringern Stan- des in ihren Actionen denen Hoͤhern conformi- ren, theils, weil ihꝛer viele das Voꝛurtheil haben, daß ſie dencken, die Perſonen hoͤhern Stan- des beſitzen mehr Verſtand und Geſchicklich- keit, denn ſie: theils, weil ſie glauben, ſich hier- durch mehr bey ihnen zu recommendiren und beliebter zu machen: theils auch, weil ſie ſich einbilden, ſie werden bey ihres Gleichen und de- nen, die noch geringeres Standes ſind, ſich ein groͤſſer Anſehen zuwege bringen, wenn ſie die Hoͤhern imitiren und dasjenige thun, was jene vornehmen. Vor allen pflegen die Untertha- nen auf den Fuͤrſten-Stuhl ihres Landes-Her- ren ihre Augen zu richten, und gleichwie er uͤber ſie alle wegraget, alſo ſind auch ſeine actiones deſto ſichtbarer. Dahero das Spruͤchwort ſchon laͤngſt entſtanden: Qualis Rex, talis grex. Wie der Landes-Fuͤrſt iſt, ſo ſind auch die Unterthanen. Will nun ein Herr, daß ſeine Unterthanen ſich eines tugendhafften Le- bens-Wandels befleißigen ſollen, ſo iſt ſein ei- gen Leben, wenn es nach den Tugend-Regeln eingerichtet iſt, das allerſchaͤrffſte Geſetz, ſo er ihnen G g 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/491>, abgerufen am 22.11.2024.