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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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so giebt ihm die Eigen-Liebe, da er sich entwe-
der andern in dieser oder jenen Wissenschafft
vorziehet, oder doch zum wenigsten eine gleiche
Capacität zutrauet, die Gedancken ein, weil du
dieser Sache so viel Jahre nachgesonnen und
gleichwohl es nicht zum Effect bringen können,
so kan es unmöglich seyn, daß ein andrer solches
heraus gebracht, und muß sich, der solches vor-
giebt, dieses nur einbilden und sich und andere
betrügen. Ferner incitiret ihn der Neid,
weil es ihn verdreust, daß ein andrer ihm dasje-
nige Praemium, darauf er schon in Gedancken
seine Rechnung gemacht, wegnehmen soll, dahe-
ro bemüht er sich, den andern bey den Leuten mit
seinen Invento in Disrenomme zu setzen,
durchzuziehen und alles zu thun, wodurch ihm
praejudiciret werden könne. Da nun Pri-
vat-Personen nicht zukommt, daß sie auf solche
Art andere Leute und ihre Inventa durchhe-
cheln, so sind sie deshalben billig mit Straffe zu
belegen. Hat es mit dem Invento seine Rich-
tigkeit, so ist es eine grosse Gottlosigkeit von ih-
nen, daß sie unschuldiger Weise ihren Nechsten
traduciren, wiewohl, wenn der Autor sein In-
ventum salvi
ret, am allermeisten sich auch sol-
che Leute beschimpffen. Jst aber der Erfinder
ein Aufschneider, so verdient er deshalben öffent-
lich gestrafft werden, und sind Privat-Personen

hierü-



ſo giebt ihm die Eigen-Liebe, da er ſich entwe-
der andern in dieſer oder jenen Wiſſenſchafft
vorziehet, oder doch zum wenigſten eine gleiche
Capacitaͤt zutrauet, die Gedancken ein, weil du
dieſer Sache ſo viel Jahre nachgeſonnen und
gleichwohl es nicht zum Effect bringen koͤnnen,
ſo kan es unmoͤglich ſeyn, daß ein andrer ſolches
heraus gebracht, und muß ſich, der ſolches vor-
giebt, dieſes nur einbilden und ſich und andere
betruͤgen. Ferner incitiret ihn der Neid,
weil es ihn verdreuſt, daß ein andrer ihm dasje-
nige Præmium, darauf er ſchon in Gedancken
ſeine Rechnung gemacht, wegnehmen ſoll, dahe-
ro bemuͤht er ſich, den andern bey den Leuten mit
ſeinen Invento in Diſrenommé zu ſetzen,
durchzuziehen und alles zu thun, wodurch ihm
præjudiciret werden koͤnne. Da nun Pri-
vat-Perſonen nicht zukommt, daß ſie auf ſolche
Art andere Leute und ihre Inventa durchhe-
cheln, ſo ſind ſie deshalben billig mit Straffe zu
belegen. Hat es mit dem Invento ſeine Rich-
tigkeit, ſo iſt es eine groſſe Gottloſigkeit von ih-
nen, daß ſie unſchuldiger Weiſe ihren Nechſten
traduciren, wiewohl, wenn der Autor ſein In-
ventum ſalvi
ret, am allermeiſten ſich auch ſol-
che Leute beſchimpffen. Jſt aber der Erfinder
ein Aufſchneider, ſo verdient er deshalben oͤffent-
lich geſtrafft werden, und ſind Privat-Perſonen

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[443/0463] ſo giebt ihm die Eigen-Liebe, da er ſich entwe- der andern in dieſer oder jenen Wiſſenſchafft vorziehet, oder doch zum wenigſten eine gleiche Capacitaͤt zutrauet, die Gedancken ein, weil du dieſer Sache ſo viel Jahre nachgeſonnen und gleichwohl es nicht zum Effect bringen koͤnnen, ſo kan es unmoͤglich ſeyn, daß ein andrer ſolches heraus gebracht, und muß ſich, der ſolches vor- giebt, dieſes nur einbilden und ſich und andere betruͤgen. Ferner incitiret ihn der Neid, weil es ihn verdreuſt, daß ein andrer ihm dasje- nige Præmium, darauf er ſchon in Gedancken ſeine Rechnung gemacht, wegnehmen ſoll, dahe- ro bemuͤht er ſich, den andern bey den Leuten mit ſeinen Invento in Diſrenommé zu ſetzen, durchzuziehen und alles zu thun, wodurch ihm præjudiciret werden koͤnne. Da nun Pri- vat-Perſonen nicht zukommt, daß ſie auf ſolche Art andere Leute und ihre Inventa durchhe- cheln, ſo ſind ſie deshalben billig mit Straffe zu belegen. Hat es mit dem Invento ſeine Rich- tigkeit, ſo iſt es eine groſſe Gottloſigkeit von ih- nen, daß ſie unſchuldiger Weiſe ihren Nechſten traduciren, wiewohl, wenn der Autor ſein In- ventum ſalviret, am allermeiſten ſich auch ſol- che Leute beſchimpffen. Jſt aber der Erfinder ein Aufſchneider, ſo verdient er deshalben oͤffent- lich geſtrafft werden, und ſind Privat-Perſonen hieruͤ-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/463>, abgerufen am 22.11.2024.