Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

Bild:
<< vorherige Seite



der Evangelisch-Lutherischen Kirche gantz und
gar absondern, oder doch nur dem Scheine nach
sich mit darzu bekennen wollen. Diese haben
fast in allen Articuln der Theologie ihre eigne
Principia, darinnen sie von den übrigen und
bißhero recipirten Rechtgläubigen dissenti-
ren, sie verachten die libros symbolicos, hal-
ten dieselben vor Menschen-Satzungen und
sprechen ihnen die göttliche Autorität ab, sie
moquiren sich über die orthodoxie, schmählen
auff die Systemata und compendia Theolo-
gica
und wollen dieselben nicht leiden, statuiren
keine indifferenten Dinge, sondern achten
das Tantzen, Spielen und andere Sachen, so
öffters gemißbrauchet werden, vor Sachen,
die an und vor sich selbst bey allen und ieden
Umständen Tod-Sünden wären, halten nicht
garviel auff das Kirchen-Gehen, den Beicht-
Stuhl und heilige Nachtmahl, rühmen sich be-
sonderer Offenbahrungen, affectren eine
Scheinheiligkeit darinnen, daß sie nicht lachen,
sondern die Köpffe hängen wie das Schilff-
Rohr, gehen in eigenen Winckel-Zusammen-
künfften und Conventiculis zusammen, reden
viel von der Vollkommenheit, daß man alle
Gebote GOttes nach ihren besondern Stücken
und Pflichten halten solle und könne, meynen
ein gottloser Prediger sey nicht erleuchtet, und

dahero



der Evangeliſch-Lutheriſchen Kirche gantz und
gar abſondern, oder doch nur dem Scheine nach
ſich mit darzu bekennen wollen. Dieſe haben
faſt in allen Articuln der Theologie ihre eigne
Principia, darinnen ſie von den uͤbrigen und
bißhero recipirten Rechtglaͤubigen diſſenti-
ren, ſie verachten die libros ſymbolicos, hal-
ten dieſelben vor Menſchen-Satzungen und
ſprechen ihnen die goͤttliche Autoritaͤt ab, ſie
moquiren ſich uͤber die orthodoxie, ſchmaͤhlen
auff die Syſtemata und compendia Theolo-
gica
und wollen dieſelben nicht leiden, ſtatuiren
keine indifferenten Dinge, ſondern achten
das Tantzen, Spielen und andere Sachen, ſo
oͤffters gemißbrauchet werden, vor Sachen,
die an und vor ſich ſelbſt bey allen und ieden
Umſtaͤnden Tod-Suͤnden waͤren, halten nicht
garviel auff das Kirchen-Gehen, den Beicht-
Stuhl und heilige Nachtmahl, ruͤhmen ſich be-
ſonderer Offenbahrungen, affectren eine
Scheinheiligkeit darinnen, daß ſie nicht lachen,
ſondern die Koͤpffe haͤngen wie das Schilff-
Rohr, gehen in eigenen Winckel-Zuſammen-
kuͤnfften und Conventiculis zuſammen, reden
viel von der Vollkommenheit, daß man alle
Gebote GOttes nach ihren beſondern Stuͤcken
und Pflichten halten ſolle und koͤnne, meynen
ein gottloſer Prediger ſey nicht erleuchtet, und

dahero
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0358" n="338"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> der Evangeli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen Kirche gantz und<lb/>
gar ab&#x017F;ondern, oder doch nur dem Scheine nach<lb/>
&#x017F;ich mit darzu bekennen wollen. Die&#x017F;e haben<lb/>
fa&#x017F;t in allen Articuln der <hi rendition="#aq">Theologie</hi> ihre eigne<lb/><hi rendition="#aq">Principia,</hi> darinnen &#x017F;ie von den u&#x0364;brigen und<lb/>
bißhero <hi rendition="#aq">recipir</hi>ten Rechtgla&#x0364;ubigen <hi rendition="#aq">di&#x017F;&#x017F;enti-</hi><lb/>
ren, &#x017F;ie verachten die <hi rendition="#aq">libros &#x017F;ymbolicos,</hi> hal-<lb/>
ten die&#x017F;elben vor Men&#x017F;chen-Satzungen und<lb/>
&#x017F;prechen ihnen die go&#x0364;ttliche <hi rendition="#aq">Autori</hi>ta&#x0364;t ab, &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#aq">moqui</hi>ren &#x017F;ich u&#x0364;ber die <hi rendition="#aq">orthodoxie,</hi> &#x017F;chma&#x0364;hlen<lb/>
auff die <hi rendition="#aq">Sy&#x017F;temata</hi> und <hi rendition="#aq">compendia Theolo-<lb/>
gica</hi> und wollen die&#x017F;elben nicht leiden, <hi rendition="#aq">&#x017F;tatui</hi>ren<lb/>
keine <hi rendition="#aq">indifferen</hi>ten Dinge, &#x017F;ondern achten<lb/>
das Tantzen, Spielen und andere Sachen, &#x017F;o<lb/>
o&#x0364;ffters gemißbrauchet werden, vor Sachen,<lb/>
die an und vor &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t bey allen und ieden<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden Tod-Su&#x0364;nden wa&#x0364;ren, halten nicht<lb/>
garviel auff das Kirchen-Gehen, den Beicht-<lb/>
Stuhl und heilige Nachtmahl, ru&#x0364;hmen &#x017F;ich be-<lb/>
&#x017F;onderer Offenbahrungen, <hi rendition="#aq">affect</hi>ren eine<lb/>
Scheinheiligkeit darinnen, daß &#x017F;ie nicht lachen,<lb/>
&#x017F;ondern die Ko&#x0364;pffe ha&#x0364;ngen wie das Schilff-<lb/>
Rohr, gehen in eigenen Winckel-Zu&#x017F;ammen-<lb/>
ku&#x0364;nfften und <hi rendition="#aq">Conventiculis</hi> zu&#x017F;ammen, reden<lb/>
viel von der Vollkommenheit, daß man alle<lb/>
Gebote GOttes nach ihren be&#x017F;ondern Stu&#x0364;cken<lb/>
und Pflichten halten &#x017F;olle und ko&#x0364;nne, meynen<lb/>
ein gottlo&#x017F;er Prediger &#x017F;ey nicht erleuchtet, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dahero</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[338/0358] der Evangeliſch-Lutheriſchen Kirche gantz und gar abſondern, oder doch nur dem Scheine nach ſich mit darzu bekennen wollen. Dieſe haben faſt in allen Articuln der Theologie ihre eigne Principia, darinnen ſie von den uͤbrigen und bißhero recipirten Rechtglaͤubigen diſſenti- ren, ſie verachten die libros ſymbolicos, hal- ten dieſelben vor Menſchen-Satzungen und ſprechen ihnen die goͤttliche Autoritaͤt ab, ſie moquiren ſich uͤber die orthodoxie, ſchmaͤhlen auff die Syſtemata und compendia Theolo- gica und wollen dieſelben nicht leiden, ſtatuiren keine indifferenten Dinge, ſondern achten das Tantzen, Spielen und andere Sachen, ſo oͤffters gemißbrauchet werden, vor Sachen, die an und vor ſich ſelbſt bey allen und ieden Umſtaͤnden Tod-Suͤnden waͤren, halten nicht garviel auff das Kirchen-Gehen, den Beicht- Stuhl und heilige Nachtmahl, ruͤhmen ſich be- ſonderer Offenbahrungen, affectren eine Scheinheiligkeit darinnen, daß ſie nicht lachen, ſondern die Koͤpffe haͤngen wie das Schilff- Rohr, gehen in eigenen Winckel-Zuſammen- kuͤnfften und Conventiculis zuſammen, reden viel von der Vollkommenheit, daß man alle Gebote GOttes nach ihren beſondern Stuͤcken und Pflichten halten ſolle und koͤnne, meynen ein gottloſer Prediger ſey nicht erleuchtet, und dahero

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/358
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/358>, abgerufen am 22.11.2024.