bracht werden, wenn es auch noch so einen gros- sen Schein der Andacht hätte, in welchen man entweder falsche und irrige Lehren mit klaren und deutlichen Worten fürgetragen findet, oder doch zweydeutige, verfängliche und verdächtige Redens-Arten antrifft. Denn obgleich et- wan der einfältige Leser sobald dieselben nicht mercket, und ein solch Lied in seiner Einfalt da- hin singet, so leidet doch, wenn ihm der Glau- bens-Jrrthum, so in dergleichen Liede enthal- ten, gezeiget wird, seine Seele entweder einen empfindlichen Anstoß, oder er wird zu Bey- pflichtung desselben Jrrthums nichts destowe- niger verleitet, und läst es sich hier nicht thun, daß man eine und andere Redens-Arten, wenn das Lied von einem kundbar irrigen Verfasser gesetzt worden, meinet mit Liebe zu bemänteln und zu entschuldigen.
§. 15. Es sind die Melodeyen bey einem Ev- angelischen Lutherischen Gesangbuch dergestalt zu ordiniren, daß die Gesänge so wohl in ihrem metro als darauff gesetzten composition und Noten etwas ernsthafftes, andächtiges und gottseliges in sich fassen, nicht aber auff eine üp- pige, leichte und fast liederliche Art derweltl. Gesänge hinaus lauffen. Denn es ist aller- dings in der Music, darein die Lieder gesetzt sind und gesungen werden, etwas, wodurch das
mensch-
bracht werden, wenn es auch noch ſo einen groſ- ſen Schein der Andacht haͤtte, in welchen man entweder falſche und irrige Lehren mit klaren und deutlichen Worten fuͤrgetragen findet, oder doch zweydeutige, verfaͤngliche und verdaͤchtige Redens-Arten antrifft. Denn obgleich et- wan der einfaͤltige Leſer ſobald dieſelben nicht mercket, und ein ſolch Lied in ſeiner Einfalt da- hin ſinget, ſo leidet doch, wenn ihm der Glau- bens-Jrrthum, ſo in dergleichen Liede enthal- ten, gezeiget wird, ſeine Seele entweder einen empfindlichen Anſtoß, oder er wird zu Bey- pflichtung deſſelben Jrrthums nichts deſtowe- niger verleitet, und laͤſt es ſich hier nicht thun, daß man eine und andere Redens-Arten, wenn das Lied von einem kundbar irrigen Verfaſſer geſetzt worden, meinet mit Liebe zu bemaͤnteln und zu entſchuldigen.
§. 15. Es ſind die Melodeyen bey einem Ev- angeliſchen Lutheriſchen Geſangbuch dergeſtalt zu ordiniren, daß die Geſaͤnge ſo wohl in ihrem metro als darauff geſetzten compoſition und Noten etwas ernſthafftes, andaͤchtiges und gottſeliges in ſich faſſen, nicht aber auff eine uͤp- pige, leichte und faſt liederliche Art derweltl. Geſaͤnge hinaus lauffen. Denn es iſt aller- dings in der Muſic, darein die Lieder geſetzt ſind und geſungen werden, etwas, wodurch das
menſch-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0289"n="269"/><fwplace="top"type="header"><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></fw> bracht werden, wenn es auch noch ſo einen groſ-<lb/>ſen Schein der Andacht haͤtte, in welchen man<lb/>
entweder falſche und irrige Lehren mit klaren<lb/>
und deutlichen Worten fuͤrgetragen findet, oder<lb/>
doch zweydeutige, verfaͤngliche und verdaͤchtige<lb/>
Redens-Arten antrifft. Denn obgleich et-<lb/>
wan der einfaͤltige Leſer ſobald dieſelben nicht<lb/>
mercket, und ein ſolch Lied in ſeiner Einfalt da-<lb/>
hin ſinget, ſo leidet doch, wenn ihm der Glau-<lb/>
bens-Jrrthum, ſo in dergleichen Liede enthal-<lb/>
ten, gezeiget wird, ſeine Seele entweder einen<lb/>
empfindlichen Anſtoß, oder er wird zu Bey-<lb/>
pflichtung deſſelben Jrrthums nichts deſtowe-<lb/>
niger verleitet, und laͤſt es ſich hier nicht thun,<lb/>
daß man eine und andere Redens-Arten, wenn<lb/>
das Lied von einem kundbar irrigen Verfaſſer<lb/>
geſetzt worden, meinet mit Liebe zu bemaͤnteln<lb/>
und zu entſchuldigen.</p><lb/><p>§. 15. Es ſind die Melodeyen bey einem Ev-<lb/>
angeliſchen Lutheriſchen Geſangbuch dergeſtalt<lb/>
zu <hirendition="#aq">ordini</hi>ren, daß die Geſaͤnge ſo wohl in ihrem<lb/><hirendition="#aq">metro</hi> als darauff geſetzten <hirendition="#aq">compoſition</hi> und<lb/>
Noten etwas ernſthafftes, andaͤchtiges und<lb/>
gottſeliges in ſich faſſen, nicht aber auff eine uͤp-<lb/>
pige, leichte und faſt liederliche Art derweltl.<lb/>
Geſaͤnge hinaus lauffen. Denn es iſt aller-<lb/>
dings in der Muſic, darein die Lieder geſetzt ſind<lb/>
und geſungen werden, etwas, wodurch das<lb/><fwplace="bottom"type="catch">menſch-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[269/0289]
bracht werden, wenn es auch noch ſo einen groſ-
ſen Schein der Andacht haͤtte, in welchen man
entweder falſche und irrige Lehren mit klaren
und deutlichen Worten fuͤrgetragen findet, oder
doch zweydeutige, verfaͤngliche und verdaͤchtige
Redens-Arten antrifft. Denn obgleich et-
wan der einfaͤltige Leſer ſobald dieſelben nicht
mercket, und ein ſolch Lied in ſeiner Einfalt da-
hin ſinget, ſo leidet doch, wenn ihm der Glau-
bens-Jrrthum, ſo in dergleichen Liede enthal-
ten, gezeiget wird, ſeine Seele entweder einen
empfindlichen Anſtoß, oder er wird zu Bey-
pflichtung deſſelben Jrrthums nichts deſtowe-
niger verleitet, und laͤſt es ſich hier nicht thun,
daß man eine und andere Redens-Arten, wenn
das Lied von einem kundbar irrigen Verfaſſer
geſetzt worden, meinet mit Liebe zu bemaͤnteln
und zu entſchuldigen.
§. 15. Es ſind die Melodeyen bey einem Ev-
angeliſchen Lutheriſchen Geſangbuch dergeſtalt
zu ordiniren, daß die Geſaͤnge ſo wohl in ihrem
metro als darauff geſetzten compoſition und
Noten etwas ernſthafftes, andaͤchtiges und
gottſeliges in ſich faſſen, nicht aber auff eine uͤp-
pige, leichte und faſt liederliche Art derweltl.
Geſaͤnge hinaus lauffen. Denn es iſt aller-
dings in der Muſic, darein die Lieder geſetzt ſind
und geſungen werden, etwas, wodurch das
menſch-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/289>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.