gen Dingen ihrem temperamente nach ihre Ergötzung, und ist vollkommen bey sich über- führt, daß sie hierinnen vernünfftig und klug handele, es mögen solches nun andere Leute er- kennen oder nicht. Sie verlacht die Urtheile der Menschen, wenn sie andere vor unvernünff- tig halten, daß sie sich über manche Sachen Bedencken mache, dadurch sie doch ihre zeitliche Glückseeligkeit gewaltig befördern könte, oder nicht allezeit auf Reichthum und Ehre siehet, sondern ihre Vergnügung bißweilen höher schätzt, als Vermögen und Ehren-Aemter.
§. 3. Da nun die Vergnügung des Ge- müths ohne die Gesundheit des Leibes nicht wohl abgesondert seyn kan, so observirt sie zu- gleich ihre Gesundheit so viel als möglich, und denckt, daß mens sana, zu welchem ein ruhiges und mit GOtt ausgesöhntes Gewissen, ein cul- tivirter Verstand, ein gebesserter Wille, und eine freudige Gemüths-Vergnügung gehören, in corpore sano in dieser Zeitlichkeit die edel- sten Güter sind. Hat sie nun dieses alles er- langt und beysammen, so preiset sie ihren GOtt davor, und schätzet sich im übrigen vor weit glücklicher, ob sie gleich ein geringes Ver- mögen und schlechte Ehre hat, als viel tausend andere Leute. Werden ihr Ehren-Aemter angetragen, so schläget sie solche eben nicht aus,
weil
gen Dingen ihrem temperamente nach ihre Ergoͤtzung, und iſt vollkommen bey ſich uͤber- fuͤhrt, daß ſie hierinnen vernuͤnfftig und klug handele, es moͤgen ſolches nun andere Leute er- kennen oder nicht. Sie verlacht die Urtheile der Menſchen, wenn ſie andere vor unvernuͤnff- tig halten, daß ſie ſich uͤber manche Sachen Bedencken mache, dadurch ſie doch ihre zeitliche Gluͤckſeeligkeit gewaltig befoͤrdern koͤnte, oder nicht allezeit auf Reichthum und Ehre ſiehet, ſondern ihre Vergnuͤgung bißweilen hoͤher ſchaͤtzt, als Vermoͤgen und Ehren-Aemter.
§. 3. Da nun die Vergnuͤgung des Ge- muͤths ohne die Geſundheit des Leibes nicht wohl abgeſondert ſeyn kan, ſo obſervirt ſie zu- gleich ihre Geſundheit ſo viel als moͤglich, und denckt, daß mens ſana, zu welchem ein ruhiges und mit GOtt ausgeſoͤhntes Gewiſſen, ein cul- tivirter Verſtand, ein gebeſſerter Wille, und eine freudige Gemuͤths-Vergnuͤgung gehoͤren, in corpore ſano in dieſer Zeitlichkeit die edel- ſten Guͤter ſind. Hat ſie nun dieſes alles er- langt und beyſammen, ſo preiſet ſie ihren GOtt davor, und ſchaͤtzet ſich im uͤbrigen vor weit gluͤcklicher, ob ſie gleich ein geringes Ver- moͤgen und ſchlechte Ehre hat, als viel tauſend andere Leute. Werden ihr Ehren-Aemter angetragen, ſo ſchlaͤget ſie ſolche eben nicht aus,
weil
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gen Dingen ihrem temperamente nach ihre
Ergoͤtzung, und iſt vollkommen bey ſich uͤber-
fuͤhrt, daß ſie hierinnen vernuͤnfftig und klug
handele, es moͤgen ſolches nun andere Leute er-
kennen oder nicht. Sie verlacht die Urtheile
der Menſchen, wenn ſie andere vor unvernuͤnff-
tig halten, daß ſie ſich uͤber manche Sachen
Bedencken mache, dadurch ſie doch ihre zeitliche
Gluͤckſeeligkeit gewaltig befoͤrdern koͤnte, oder
nicht allezeit auf Reichthum und Ehre ſiehet,
ſondern ihre Vergnuͤgung bißweilen hoͤher
ſchaͤtzt, als Vermoͤgen und Ehren-Aemter.
§. 3. Da nun die Vergnuͤgung des Ge-
muͤths ohne die Geſundheit des Leibes nicht
wohl abgeſondert ſeyn kan, ſo obſervirt ſie zu-
gleich ihre Geſundheit ſo viel als moͤglich, und
denckt, daß mens ſana, zu welchem ein ruhiges
und mit GOtt ausgeſoͤhntes Gewiſſen, ein cul-
tivirter Verſtand, ein gebeſſerter Wille, und
eine freudige Gemuͤths-Vergnuͤgung gehoͤren,
in corpore ſano in dieſer Zeitlichkeit die edel-
ſten Guͤter ſind. Hat ſie nun dieſes alles er-
langt und beyſammen, ſo preiſet ſie ihren
GOtt davor, und ſchaͤtzet ſich im uͤbrigen vor
weit gluͤcklicher, ob ſie gleich ein geringes Ver-
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andere Leute. Werden ihr Ehren-Aemter
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/24>, abgerufen am 24.11.2024.
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